Grafing:Musikalische Fantasiewelten

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Die Formation "Uwaga" interpretiert bei ihrem Gastspiel in Grafing Mozart türkisch, Elgar schrill, Sibelius ungarisch und Tschaikowsky poppig. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Ensemble "Uwaga" hat seine Wurzeln in der Klassik, spielt aber auch Jazz, Klezmer und Rock

Von Peter Kees, Grafing

Die vier Musiker des Quartetts Uwaga, das im Rahmen des Ebersberger Jazzfestivals im Rathaus Grafing zu Gast ist, haben ihre Wurzeln in der klassischen Musik, doch Klassik ist Christoph König, Violine und Viola, Maurice Maurer, Violine, Miroslav Misic, Akkordeon und Matthias Hacker, Kontrabass, zu wenig. Sie träumen von anderen musikalischen Welten. Christoph König beispielsweise hat neben einem klassischen Violinstudium sehr früh seine Nase auch in Jazz, Klezmer und Punkrock gesteckt. Und so klingt denn auch sein Spiel, nicht wirklich lieblich, einen eher spröden Ton entlockt er seiner Geige. Er spielt aber nicht nur Geige, sondern ebenso Bratsche, und er spielt Jazz auf einer Bratsche.

Auch Maurice Maurer hat klassische Violine studiert, doch sein Hang zu osteuropäischer Musik hat auch ihn früh in andere Welten geführt. Die beiden Geiger sind die Frontmänner von Uwaga, wobei sie auf Augenhöhe mit ihren beiden Mitstreitern musizieren. Da ist ein grandioser Spieler am Akkordeon, der Serbe Miroslav Misic. Er beherrscht sein Instrument bravourös und fällt vor allem mit typischen Balkanklängen auf. Ebenso Vollprofi ist der Bassist Matthias Hacker.

Wovon träumt Maurice Maurer beim Spielen des A-Dur Konzertes von Mozart ? Mitten in einer Solokadenz klappt plötzlich etwas völlig Neues auf: Rhythmik, die weniger mit Mozart zu tun hat, als mit grooviger türkischer Musik. Fast übergangslos wähnt man sich plötzlich mitten in Istanbul. Und das ist auch das Prinzip der Band. Manches verstärken sie, vergrößern es, wie bei Mozarts Violinkonzert, das auch den Beinamen "Das Türkische" hat.

Später gibt es eine schrille Version von Elgars "Pomp and Circumstances". Um das Hauptthema wird frech improvisiert, fast furios getanzt. Neben großer Virtuosität beweisen die Vier dabei Witz und Ironie, spielerisches Können und reichlich Musikalität. Man sieht und hört es ihnen an, sie haben Vergnügen an ihren Stücken. Da bearbeitet Christoph König beispielsweise den Bachchoral "Ach, großer König" aus der Johannespassion, arrangiert daraus ein Stück für seinen Filius, "Ach, kleiner König" und tituliert die Version, die in Grafing zu hören ist, mit der Überschrift "Könige verschiedener Größen." Da klingen Flageoletttöne, die Streichinstrumente werden als Schlaginstrumente verwendet und immer wieder wird der Choral von feurigen Improvisationen durchbrochen. Anschließend nochmals Bach: Ein Doppelkonzert für zwei Violinen gepaart mit einem Konzert für zwei Gitarren. Klassisch beginnen sie - nur das Akkordeon scheint nicht recht zur Bachschen Klangwelt zu passen - und gehen nahtlos von den Originalstimmen über in waghalsige Improvisationen, die an Zigeunerklänge und ungarische Musik erinnern. Rhythmisch hart am Frosch spielt Christoph König, während Maurice Maurer eher wärmere Geigentöne zaubert.

Ähnliches passiert mit Griegs Holberg-Suite. Da tönt zunächst Take Five, dann erkennt man Grieg und plötzlich ist man mitten im Gefiedel einer schottischen Kneipe. Grieg, so erzählen sie, hätte schottische Vorfahren gehabt, deshalb der Sprung nach Schottland. Nach der Pause wieder Mozart, diesmal stark balkanisiert, mit einem famosen Akkordeon-Solo. Und dann tritt nochmals Maurice Maurer als Interpret der Solostimme des Violinkonzertes von Sibelius in den Mittelpunkt. Und auch hier öffnen sich die Türen in musikalische Fantasiewelten. Der Csárdás etwa spielt dabei eine nicht unbedeutende Rolle.

Einzige Kritik: Gegen den Strich bürsten wollen sie auch Mahlers berühmtes Adagietto aus seiner fünften Symphonie. Dem zarten Beginn, hier nur von Bratsche und Violine gespielt, fehlt jedoch die innehaltende Atmosphäre. Die stellt sich im Lauf des Stückes aber noch ein, spätestens als das Akkordeon mit seinem wehmütigen Klang einsteigt. Ein Abend, der mehr als in nur eine Welt entführt. Das Publikum ist hingerissen. Zwei Zugaben sind da fast zu wenig.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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