Grafing:Mitsprache ohne Einfluss

Lesezeit: 2 min

Grafinger Stadtrat lehnt Bürgerhaushalt ab

Von Thorsten Rienth, Grafing

Nicht mehr ausschließlich gewählte Stadträte sollten nach Ansicht des "Bündnis für Grafing" (BfG) den alljährlichen Haushalt der Gemeinde bestimmen, sondern auch die breite Öffentlichkeit - und zwar mit einem Bürgerhaushalt. Jenseits der BfG-Fraktion hat sich in der jüngsten Stadtratssitzung allerdings niemand für den Plan begeistern können.

"Das ist doch eine Augenwischerei, die am Ende zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltung wird", erteilte CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg einem wie auch immer aussehenden Bürgerhaushalt ganz generell eine Absage. Man wisse doch schon jetzt, dass es in den nächsten fünf Jahren praktisch keine freie Finanzspanne gebe. Sein Stellvertreter und Landtagsabgeordneter Thomas Huber nannte den Vorschlag deshalb ein "bürokratisches Feigenblatt", das Bürgerbeteiligung allenfalls suggeriere, aber nicht schaffe.

Vergeblich hatte BfG-Stadtrat Heinz Fröhlich zuvor um "eine konstruktive und wohlwollende Bewertung" des Anliegens gebeten. So solle die Stadt doch wenigstens einmal überprüfen, ob sich mit einem neuen Etatprozedere nicht vielleicht etwas mehr und direktere Mitsprache der Bevölkerung umsetzen ließe. "Es geht uns um den doch von allen Fraktionen mitgetragenen Wunsch nach allgemeiner Bürgerbeteiligung", warb Fröhlich. Um was es jedenfalls ganz und gar nicht gehe: "Dass wir den Bürgerhaushalt als festes Budget sehen, über den die Bürger in eigenem Rahmen entscheiden können."

In seinem Antrag verwies das BfG auf ein Modell, wie es seit einiger Zeit in der Stadt Münster umgesetzt wird. "Dort haben sie einen Prozess aufgesetzt, wie sich die Leute in die Verwendung von Gebühren und Steuergeldern einbringen können". Vorschlags-, Bewertungs-, Dokumentations-, politische Beratungs- und Rechtfertigungsphase - so etwas in dieser Richtung stelle man sich auch für Grafing vor.

Da das BfG nur drei von 24 Grafinger Stadträten stellt und Widerrede nicht nur aus der CSU kam, zeichnete sich das Abstimmungsergebnis bald ab. Gabriela Wischeropp (Freie Wähler) kündigte ebenfalls ihre Gegenstimme an. "Ich bin nicht der Meinung, dass man ein zweites Megaprojekt neben der 'Zukunftsstadt' starten sollte." Unter diesem Titel läuft in Grafing aktuell ein groß angelegtes Informations- und Mitmachportal in Sachen Stadtentwicklung. Allenfalls könne sie sich damit anfreunden, einen festgelegten Betrag nach einem wie auch immer dann aussehenden Prozedere von den Bürgern verwalten zu lassen, sagte Wischeropp. Das wiederum schloss die Tür für Kompromisse. Genau auf diese Art eines direkten Budgetrechts zielte der BfG-Antrag eben nicht ab.

Kämmerer Christian Bauer warnte davor, sich zu stark von Bürgerhaushalten begeistern zu lassen. "Bis 2013 haben sich 247 deutsche Kommunen mit dem Bürgerhaushalt beschäftigt", berichtete er. Aber nur 96 von ihnen hätten den Prozess dann auch mindestens ein- oder zweimal durchgeführt.

Schließlich stellte sich heraus, dass ein Eckpfeiler des BfG-Antrags zumindest in abgewandelter Form bereits auf dem Verwaltungswege auf den Weg gebracht worden war. "Wir haben Kontakt mit den Software-Entwicklern der 'Zukunftsstadt' aufgenommen", berichtete Obermayr. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir auch beim Haushalt eine Kommentarfunktion einbauen können." Diese Online-Kommentarfunktion hatten die Grafinger in den vergangenen Monaten überraschend rege genutzt, um ihre Meinung zu verschiedenen Zukunftsthemen der Stadt abzugeben.

Abgestimmt werden musste über den BfG-Antrag freilich dennoch. Erwartungsgemäß hoben allerdings nur die drei BfG-Stadträte des Bündnisses zustimmende die Hand.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: