Grafing:Krach ist Klasse

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JIG-Vorsitzender Lukas Müller glaubt fest daran, dass es in Grafing großes Interesse an einem alternativen Musikprogramm gibt und will es bedienen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grafinger Jugendinitiative (JIG) setzt vermehrt auf Konzerte. Lukas Müller erklärt, weshalb

Interview von Thorsten Rienth, Grafing

Vier Konzerte stehen bis Mitte Januar im Veranstaltungskalender der Jugendinitiative Grafing (JIG). Das sind mehr, als es im gesamten vergangenen Jahr gab - und außerdem nur die, die bislang bestätigt sind. Diese Häufung ist allerdings kein Zufall, sondern ein neues Konzept, wie JIG-Vorsitzender Lukas Müller, 22 Jahre alt, erklärt.

Im Sommer 2003 spielte die Berliner Punkband "Terrorgruppe" im JIG. Was ist dem JIG davon in Erinnerung geblieben?

Lukas Müller: Auf jeden Fall muss das ein ziemlich besonderer Abend gewesen sein. Ich war damals allerdings erst acht Jahre alt und wusste noch gar nicht, dass es das JIG gibt. Aber bei den Älteren ist aus dem Terrorgruppe-Konzert eine Legende geworden. So, wie es sie bei jeder Generation JIG-Aktiver gibt. Bei meiner war es zum Beispiel vor sechs oder sieben Jahren das "Reggae-gegen-Rechts-Wochenende".

Konzerte sind laut, alle schwitzen, und danach pfeifen einem die Ohren. Warum tun sich Leute das an?

Vielleicht, weil sie gerne einfach mal den Rest der Welt vergessen wollen. Ich sage nicht, dass dieser Rest unbedingt schlecht sein muss. Aber sich mal einen Abend mit Leuten auszutoben, die den gleichen Krach mögen, ist schon eine tolle Sache. Natürlich zählt auch das ganze Drumherum: Konzerte koppeln Musik an Erlebnisse. Wer auf ein Konzert geht, steigt immer auch in eine Werkstatt - eine Werkstatt, in der Musik gemacht wird, die wiederum etwas macht mit den Menschen. Der Doors-Mythos zum Beispiel begründet sich weniger aus dem, was die Band musikalisch geschaffen hat. Sondern vor allem daraus, was Jim Morrison auf und neben der Bühne getrieben hat.

Zumindest gefühlt gab es im Landkreis vor ein paar Jahren noch deutlich mehr Konzerte als heute. Woran liegt das?

YouTube und Spotify haben der Musik eine Massenverfügbarkeit beschert. Wenn ich zum Beispiel gerade Lust auf die Ramones habe, dann bekomme ich sie - zwischen zwei Vorlesungen, in der S-Bahn oder nachts um drei - mit ein paar Klicks auf die Kopfhörer. Dadurch ist die Musik ein viel größerer Bestandteil des Alltags geworden. Wenn ich ohnehin die ganze Zeit Musik bekommen kann, schwindet womöglich die Motivation, sie mir auch live anzuhören. Und dann ist da auch noch die Veranstalterperspektive: Konzerte sind echter Aufwand und immer mit einem gewissen wirtschaftlichen Risiko verbunden. Vielleicht sind die Wirte inzwischen vorsichtiger.

Heißt im Umkehrschluss: Mit den zunehmenden Konzertabenden wird das JIG unvorsichtiger?

Außer dem Alten Kino in Ebersberg gibt es doch um uns herum gar keine richtigen Live-Bühnen mehr. Da rechnen wir uns schon eine ziemliche Attraktivität aus.

Klingt optimistisch...

Es ist ja nicht so, dass wir dafür keinen Grund hätten. Bei unserer 30-Jahr-Feier und beim Kneipenfest spielten jeweils Livebands bei uns - und es waren über 150 Leute da. Zu dem Metal-Konzert, das wir veranstaltet haben, kamen 110 Leute. Leider war bei uns mit Heizung und Wasser einiges kaputt. Mehr als diese drei Konzerte waren im letzten Jahr nicht drin. Interesse ist aber ganz offensichtlich vorhanden.

Wie viel lässt sich mit Konzerten verdienen?

Das ist nicht unser Ziel. Uns geht es um ein gutes und alternatives Grafinger Kulturprogramm. Aber natürlich ist die Konzert-Organisation immer auch mit einer betriebswirtschaftlichen Komponente verbunden. Diese Aspekte kennenzulernen, ist Teil der Arbeit eines selbstverwalteten Jugendzentrums. Unsere Konzerte kosten übrigens höchstens fünf Euro Eintritt. Wir wollen, dass wirklich jeder kommen kann.

Aus welcher musikalischen Ecke werden die künftigen JIG-Bands kommen?

Das wird sicher unterschiedlich sein. Aber der Schwerpunkt dürfte auf der alternativen Schiene liegen, Punk, Hardcore und Metal zum Beispiel oder Reggae, Ska und Indie. Wir starten jetzt mal mit Newcomer-Bands aus München und Bayern. Und dann sehen wir weiter.

"Dancing Me & the Ska Machine", die heute Abend im JIG spielen, sind aber alles andere als Newcomer...

Umso besser! Die spielen übrigens hier, weil sie als Jugendliche schon gerne ins JIG gekommen sind. Das muss so zu den Terrorgruppe-Zeiten gewesen sein...

Dancing Me & the Ska Machine spielen an diesem Donnerstag, 16. November, im Grafinger JIG in der Rotter Straße 8. Beginn ist um 20 Uhr.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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