Grafing:Klingender Phönix

Lesezeit: 3 min

Die Drumline des Grafinger Jugendorchesters, das als Verein unter dem Motto "All in One" steht Altersstufen, Instrumenten und Stilrichtungen offen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach seinem Neuanfang als eigenständiger Verein präsentiert sich das "Grafinger Jugendorchester" mit einem Konzert größer, bunter und wahrscheinlich auch besser denn je

Von Anja Blum, Grafing

Der Name leitet, genau besehen, ziemlich in die Irre: Beim Grafinger Jugendorchester (GJO) geht es erstens nicht nur um die Jugend, zweitens um mehr als ein klassisches Orchester und drittens hat sich sein Wirkungskreis weit über Grafing hinaus entfaltet. Doch der Name ist eben eine Reminiszenz an die Vergangenheit: Bis vor einem Jahr war das GJO ein grundsätzlich zwar für jedermann offenes, aber doch an das Grafinger Gymnasium angeschlossenes Ensemble. Das ist heute, nach einem Zerwürfnis zwischen Schul- und Orchesterleitung, nicht mehr so. Mittlerweile steht hinter dem Namen ein Verein, der im Mai 2014 eine groß angelegte Musikinitiative ins Leben gerufen hat: "ein freies, unabhängiges Ensemble, das die Idee eines offenen und flexiblen Orchesters kompromisslos praktiziert".

Konkret bedeutet das laut Chefin Hedwig Gruber, dass hier alle Altersklassen erwünscht sind - vom Grundschüler über Studenten und Berufstätige bis zum Rentner. Dass jeder sich nach seinem Vermögen einbringen kann - vom Neuling bis zum Könner. Dass gerne alle Instrumente integriert werden - von der Blockflöte bis zum Akkordeon. Dass unterschiedliche Stile Gehör finden - von der Klassik über die Volksmusik bis hin zum Pop. Dass alle Formationen denkbar sind - vom großen Orchester über das Streichquartett bis hin zur Band. Und, dass neben Proben und Auftritten diverse Workshops auf dem Programm stehen.

"All in One" lautet dementsprechend das Motto des ganzen Unterfangens, wie auch der Titel des nächsten großen Konzerts: Von 20. bis 24. Juni bespielt das GJO den Alten Speicher in Ebersberg, zur Verstärkung hat man den Chor Stimmlust aus Eberharting und die Tänzern der B8 Dance Factory aus Rosenheim und Wasserburg dazugeholt. Geboten wird ein wahrhaft vielfältiges Programm aus Klassik, Irish Folk, Filmmusik, Musical, Pop und Volksmusik. "Wir spielen was und wie es uns gefällt", sagt die Leiterin Hedwig Gruber, denn beim GJO gibt es nur eigene Arrangements, die alle aus Grubers Feder stammen. Da wird eine Bourée von Bach verswingt, eine Ouvertüre von Rossini zum Klavierduell und Rimsky-Korsakows "Hummelflug" zum Bumble Boogie für Orchester. Und sogar eine Uraufführung steht an: ein "Medley aus drei Songs mit Filmmusikcharakter" von Rupert Gruber, dem Sohn der Orchester-Chefin.

Hedwig Gruber kann es selbst fast noch nicht glauben: "Wir haben praktisch bei Null angefangen - und ich hätte nie gedacht, dass sich dieses Projekt so fantastisch entwickelt", sagt sie. Doch kaum habe sich die Nachricht eines Ensembles ohne jede ideelle, materielle oder faktische Bindung, ohne Voraussetzungen oder Beschränkungen herumgesprochen, seien die Mitgliedsanträge nur so hereingeflattert, teils von ganzen Familien. "Wir sind mehr und älter geworden", fasst Gruber das Ergebnis zusammen. Nun, nach einem Jahr, habe das GJO knapp hundert Mitglieder im Alter von neun bis 77 Jahren, aus der ganzen Umgebung von Haar bis nach Rosenheim sowie aus elf verschiedenen Schulen. "Und sie alle eint die Liebe zur Musik und der Spaß am Miteinander."

Hinzu kämen eine bemerkenswerte Ausstattung, ein fester Probenraum in der neuen Mensa der Grafinger Grundschule und ein Finanzierungsrückhalt, der "Möglichkeiten öffnet". Zu verdanken sei dies alles vielen massiv Engagierten auf, aber auch hinter der Bühne, erklärt Gruber. "Es gibt hier unglaublich viele Helfer, Förderer und Sponsoren, die sich einbringen - jeder mit seinen speziellen Kompetenzen." Dies reiche von großzügigen Spenden in finanzieller Form oder als "Naturalien" wie Essen, Transportmittel oder Kopien bis hin zu reiner Manpower und technischem Support am Mischpult oder PC. "Unsere Entwicklung zeugt einmal mehr von der unglaublichen kulturellen Energie vor Ort", freut sich Gruber. Finanzieren soll sich das GJO, das ein "Null-Summen-Spiel" sein will, über Konzerteinnahmen, öffentliche Förderung, Sponsoring und Spenden, Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben.

Doch wie kann es musikalisch funktionieren, so viele unterschiedliche Stile, Gruppen und Spielniveaus unter einen Hut, beziehungsweise auf eine Bühne zu bekommen? "Für mich ist das natürlich ein Vollzeithobby", sagt Gruber, die für das ganze Programm zuständig ist, alle Ensembles leitet und dementsprechend bei jeder Probe dabei ist.

Doch während sie das sagt, strahlt sie übers ganze Gesicht. Wahrscheinlich, weil sie weiß, dass sie selbst der Schlüssel zum Gelingen dieses ehrgeizigen Unterfangens ist. Schon alleine deswegen, weil sie auch für sämtliche Arrangements verantwortlich zeichnet - die sie ihren Musikern praktisch auf den Leib schreibt. "Aus diesem Grund habe ich bei jeder Probe meinen Laptop samt Drucker dabei - um an den Stücken jederzeit etwas ändern zu können", erklärt sie. Schließlich sei das Grafinger Jugendorchester alles andere als starr - nämlich "unglaublich lebendig".

"All in One": Konzert des Grafinger Jugendorchesters im Alten Speicher Ebersberg, am Samstag 20. Juni, Dienstag, 23. Juni, und Mittwoch, 24. Juni, jeweils um 19.30 Uhr, am Sonntag 21. Juni, Matinee um 11 Uhr. Karten gibt es online unter www.jugendorchestergrafing.de oder bei der Bücherstube Slawik in Grafing.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: