Grafing:Klartextabend

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Keine Zeit für Eigenlob: Grafings Rathauschefin Angelika Obermayr auf der Bürgerversammlung. (Foto: Endt)

Grafings Bürgermeisterin spricht Probleme offen an

Von Thorsten Rienth, Grafing

Sie ist nach dem Stadtball die zweite große städtische Veranstaltung in der Stadthalle und eigentlich eine Bühne, um Erfolge zu verkünden. Oder um tendenziell Schlechtes in halbwegs positives Licht zu rücken. Bei der Bürgerversammlung am Dienstagabend hat Rathauschefin Angelika Obermayr (Grüne) bei beidem das Gegenteil gemacht: Sie stimmte die Grafinger auf steigende Ausgaben bei der Wasser- und Abwasserversorgung ein. Und übte sich bei den Errungenschaften des neuen Stadtrats in Tiefstapelei. Aufregung gab es nur am Ende - weil einigen älteren Herren beim Volkstrauertag die Tradition zu kurz kam.

Ganz am Anfang gleich die schlechten Nachrichten: "Wir haben Wasserverluste in den Trinkwasseranlagen", erklärt Obermayr den gut 200 Besuchern in der Stadthalle. "Lange wurde dem sehr, sehr veralteten Netz nicht nachgegangen, das müssen wir wieder auf den Stand bringen." An zahlreichen Stellen müsste die Stadt Leitungen erneuern oder gar ganz austauschen. Enorme Investitionen seien das. "Um es ganz brutal zu sagen: Dadurch werden die Gebühren steigen müssen."

Zu diesem Thema gehören auch bislang geschätzte 575 000 Euro für Arbeiten an der Hauptwasserleitung. Sie sollen für die Stadtwerke fällig werden, weil die Leitung in der Nähe der Rotter Straße verlegt werden muss. Wie sich herausgestellt hatte, lässt sich die Ostumfahrung nicht einfach so darüberlegen. "Das ist leider gar nicht gut", ordnet die Bürgermeisterin ein. Weil Grafing selbst dafür bezahlen muss.

Überhaupt, die Ostumfahrung. Kaum ein Thema, auf das sie derzeit öfters angesprochen werde. Den aktuellen Stand fasste die Bürgermeisterin so zusammen: "Im Januar oder Februar wird mit den Brücken begonnen, im Spätsommer geht es dann mit der Straße selbst los." Derzeit würde das Rathaus allerlei Verwaltungsangelegenheiten abarbeiten. Die vom Stadtrat bereits beschlossene Anbindung der Sportstätten etwa. Eine neue Lösung für den Fußgängerüberweg in der Rotter Straße, dem Hauptzubringer für die Ostumfahrung. Dazu würden noch die Punkte kommen, mit denen Grafing den Lärmschutz verbessern will. "Da können wir im Moment ganz gut mitreden", berichtet Obermayr. "Mit dem zuständigen Straßenbauamt in Rosenheim läuft das alles sehr gut."

Schließlich geht es noch kurz um die großen Beschlüsse des Stadtrats in den vergangenen Monaten. Natürlich nennt sie den neuen Grundsatzbeschluss der städtischen Wohnbaupolitik. Vor dem Hintergrund rasant steigender Bodenpreise sei der eine spürbare Unterstützung - damit auch weniger Betuchte die Möglichkeit zum Hausbau oder Wohnungskauf hätten. Wohnungen seien auch bei der Überplanung des bald frei werdenden Bauhofgeländes in der Von-Hazzi-Straße das Stichwort. "Das werden wir nicht meistbietend verhökern, sondern Wohnungen bauen für Leute, die wenig bis normal verdienen."

Der Abend ist ruhig. Nur ganz am Ende gibt es kurz Aufregung. Jemand aus der Soldaten- und Kriegerkameradschaft beschwert sich energisch über den neuen Ablauf beim Volkstrauertag. Der Kanonendonner habe gefehlt, das stilisierte Heldengrab und auch die Feuerschalen.

Das sei Absicht gewesen, entgegnet die Bürgermeisterin. Im Mittelpunkt habe gestanden, den Volkstrauertag mehr am Namen zu orientieren und weniger das Militär und die Trauer um gefallene Soldaten in den Mittelpunkt zu stellen. "Weil ich finde, dass Frauen, Kinder und Vertriebene genauso Kriegsopfer sind, wie Soldaten." Natürlich hätte sie das nicht alleine entschieden. Sondern mit ihren beiden Stellvertretern Josef Rothmoser (CSU) und Josef Wieser (Freie Wähler) sowie Vertretern der Soldaten- und Kriegerkameradschaft und nicht zuletzt den beiden Pfarrern. "Alle fanden das richtig."

Aber warum nicht mehr geschossen wurde, hakte ein zweiter nach? Wenigstens das hätte man doch beibehalten können. "Nochmal: Es ging darum, den Volkstrauertag zu entmilitarisieren", verteidigte die Bürgermeisterin die Überlegungen. Und ganz abgesehen von eben diesen: "Ich habe es auch nachträglich sehr gut gefunden, dass wir nicht mehr geschossen haben - so kurz nach diesem fürchterlichen Geschehen in Paris."

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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