Grafing:Getrennt wohnen, gemeinsam leben

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Eine Gruppe Grafinger will in ihrer Stadt neuartigen Wohnraum etablieren: Beim Projekt "WiNGS" sollen sich Menschen ein Haus teilen und sich gegenseitig helfen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Über den Namen ließe sich trefflich philosophieren: "WiNGS", Flügel. Wegfliegen, abheben oder vielleicht einfach nur unbesorgt vor sich hinschweben mögen die Assoziationen sein. Trotzdem geht es dabei um etwas ganz Bodenständiges. Denn "WiNGS" ist die Abkürzung für "Wohnen in Nachbarschaft - Grafing Stadt". Bei dem Projekt schicken sich einige Grafinger an, in ihrer Stadt eine bislang neue Wohnform zu etablieren. In ihr lebt man in einer zentral gelegenen Wohnung, hat nur wenige Schritte zum nächsten Laden, zum Bahnhof oder zum nächsten Café. Im selben Haus, nebenan oder in den Etagen darüber leben Nachbarn, die man kennt, mag oder zumindest schätzt. Und alle sind bereit, sich gegenseitig zu helfen. Man trifft sich mehr oder weniger regelmäßig in einem gemeinsam gestalteten und genutzten Raum, um dort zu essen, miteinander zu ratschen, zu feiern oder auf irgendeine andere Weise gemeinsam aktiv und kreativ zu sein.

Die Gruppe "WiNGS" trifft sich einmal pro Monat, um sich über ihre Ideen und Ziele auszutauschen. (Foto: Christian Endt)

Diejenigen, die das umsetzen wollen, sind eine Gruppe um Grafinger wie Marianne Bendl, Ottilie Eberl, Wilhelm Gardt oder Gisela Meyerkort. Leute, die man kennt in der Stadt, aus der Pfarrei, aus Vereinen und Initiativen oder beispielsweise dem Fair-Laden. "Es ist doch alles viel einfacher zu organisieren, wenn man das in Gemeinschaft macht anstatt allein", erzählt etwa Marianne Bendl. Sei einer auf dem Weg zum Einkaufen, frage er halt schnell beim Nachbarn nach, ob er nicht mitkommen wolle. Im Gegenzug bringt der ihm vielleicht am nächsten Tag etwas aus dem Baumarkt mit.

Vorbild von "WiNGS" ist das Wohnprojekt "Salwe" in Ebersberg. Wie in der Nachbarstadt wollen auch die Grafinger das Haus von einer Wohnbaugenossenschaft bauen lassen und dann als Genossenschaftsmitglied eine Wohnung mieten. Das Konzept wäre eine Hausgemeinschaft, eine Art neue Stufe der Wohngemeinschaft. Nur teilen sich nicht mehr mehrere Leute eine Wohnung, sondern mehrere Leute in deren eigenen Wohnung ein ganzes Mehrfamilienhaus. Der harte Kern derjenigen, die die Grafinger Pläne vorantreiben, ist zwischen Anfang 50 und Mitte 70. "Ich bin sehr optimistisch, dass das klappt", sagt Uwe Peters. "Das ist eine Altersgruppe, die von früher ja durchaus schon WG-Erfahrung mitbringt." Aber auch Jüngere und Familien mit Kindern seien willkommen. "Wir glauben, dass das für alle sehr befruchtend ist."

Bis der Einzug steht, wird es noch eine ganze Weile brauchen. Oberste Priorität hat gerade die Suche nach einem möglichen Bauplatz, auf dem die Wohnbaugenossenschaft das Gebäude errichten könnte, skizziert Ottilie Eberl die nächsten Schritte. Infrage käme auch ein bereits bestehendes Gebäude, das abgerissen oder umgebaut werden soll.

Parallel dazu treffen sich die aktuell etwa 20 "WiNGS" regelmäßig, um ihre Pläne gedeihen zu lassen. "Aus diesen Diskussionen bekommen wir eine immer genauere Vorstellung davon, wie sich die Gruppe das Haus und das Zusammenleben konkret vorstellt", erklärt Wilhelm Gardt. Wirkliche Bedingungen gibt es keine - mit einer Ausnahme: Das Haus wird barrierefrei gebaut.

Die Gruppe ist weiterhin offen und freut sich über weitere Interessenten jeden Alters. Die Treffen finden jeden ersten Sonntag im Monat statt. Ansprechpartner sind Marianne Bendl, Telefon (08092) 85 43 00, und Wilhelm Gardt, Telefon (08092) 837 23.

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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