Grafing:Gegen alle Widerstände

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Eine sorgfältig gestaltete Sonderausstellung im Museum der Stadt Grafing dokumentiert die 50-jährige Geschichte des Hauses von der privaten Sammlung zur städtischen Kultureinrichtung

Von Rita Baedeker, Grafing

Dass der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 in der Sammlung des Heimatkundemuseums Grafing seinen Niederschlag findet, erstaunt nur auf den ersten Blick. Weil das auf die Katastrophe folgende Jahr, in dem sich die Atmosphäre verdunkelt, in ganz Europa zu Missernten führt, ist auch Grafing betroffen. Um an die Not zu erinnern, wurden eigens "Hungertaler", wie sie in der Ausstellung zum 50-jährigen Bestehen des Museums Grafing zu sehen sind, geprägt. Diese bemalten und beschrifteten Medaillons zeigen anrührend, dass auch ein kleines Heimatmuseum ein Stück Menschheitsgeschichte bergen kann.

"Eine Ausstellung zu diesem Jubiläum zu gestalten, ist nicht einfach", sagt Bernhard Schäfer, seit fünf Jahren Leiter des Museums im ehemaligen Rieperdinger-Haus. Obwohl die Vielzahl der Exponate und Themen überwältigend ist, hat Schäfer eine übersichtliche und sehenswerte Schau zusammengestellt, die auch ein Schlaglicht auf ein offenbar notorisches Grafinger Problem wirft - die Raumnot.

Die Geschichte des Museums beginnt mit dem 1931 verfassten Schreiben der Friedhofsverwaltung, in dem diese dem Markt Grafing für "ein zu errichtendes Heimatmuseum" ein Grabkreuz mit Sockel und Gitter anbietet. Wo das Kreuz abgeblieben ist, weiß heute niemand mehr.

1942 schenkt der ortsansässige Baumeister Bartholomäus Rieperdinger der Gemeinde "zwei Tablo" (er meint Tableaus) "Chronik von Grafing im Bilde" als Geschenk für eine künftige Sammlung im Rathaus. Zehn Jahre später gründen der Müllermeister Marin Oswald und Pfarrer Georg Hunklinger eine Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde. Deren Hauptziel: die Schaffung eines Heimatmuseums. 1958 wird der Arbeitsgemeinschaft im Rathaus ein Zimmer überlassen. Dass das Landesamt für Denkmalschutz in strengem Tonfall warnt, kleine Sammlungen wie diese seien nicht überlebensfähig und erhielten auch keine Finanzhilfen, kümmert die Gemeinde nicht. Inzwischen habe das Denkmalamt seine Meinung geändert, sagt Schäfer. "Allerdings erst spät."

Eine Runde auf dem vorsintflutlichen Hochrad? Lieber nicht! Museumsleiter Bernhard Schäfer schiebt das Gefährt denn auch lieber. (Foto: Christian Endt)

Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Heimatmuseum räumt Therese Rieperdinger, Tochter des Bartholomäus, beiseite, als sie in ihrem Testament verfügt, das Wohnhaus an der Bahnhofstraße nach Möglichkeit Zwecken der Heimatkunde zuzuführen. Als Erbe setzt die 1961 verstorbenen Gönnerin den Heimatkundekreis ein. Da dieser jedoch zu der Zeit noch nicht rechtsfähig ist, wie Schäfer erklärt, erbt die Marktgemeinde das Haus. Die benötigt aber das Gebäude für Kämmerei und Bauamt, das Museumsprojekt liegt wieder auf Eis. Am 13. März 1965 wird dann im Rathaus ein Heimatmuseum unter Leitung von Karl-Wilhelm Fischer feierlich eröffnet. Eigentümerin ist die Stadt, bespielt wird es von der Arbeitsgemeinschaft.

Als die Sammlung dank vieler Spender wächst und wächst, räumt die Stadt dem Museum im rückwärtigen Ökonomie- und Werkstattgebäude des Rieperdinger-Anwesens fünf Räume im Erdgeschoss ein. Unter Fischers Nachfolger, Alfred Rubner, zieht das Museum ins Haupthaus, die Ausstellungsfläche verdoppelt sich. Aber erst 1986 kann Rubner das geteilte Museum zu einer Einheit zusammenführen. Sein Nachfolger, Georg Weilnböck, kümmert sich um Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und schärft das Profil der Sammlung.

1994 übernimmt die Salzburger Volkskundlerin Rotraud Acker die Leitung. Sie erweitert Öffnungszeiten, organisiert Ausstellungen auch im Ausland, gibt Postkarten, Bildbände und Kataloge heraus. Die Museumsarbeit wird professionell. Acker appelliert an den Kulturausschuss der Stadt, dem Museum zusätzliche Räume zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck gründet sich auch der Museums-Förderverein. Zudem soll die Sonderausstellung "Museum in Not" die Kommune auf Trab bringen. Es klappt: Die noch im Gebäude untergebrachte VHS-Geschäftsstelle wird verlegt, das Museum hat das Haus für sich.

Ein langsamer Walzer nach den Klängen der Drehorgel? Schon eher, nur, dass man sich bei dem alten Gerät auf den Rhythmus nicht mehr verlassen kann. (Foto: Christian Endt)

Gezeigt werden neben Gemälden und Fotos die Nachtwächterlaterne, die einst die Rathauspforte schmückte, ein Ungetüm von Hochrad aus dem 19. Jahrhundert, und eine alte Drehorgel, die unverdrossen und sehr langsam den "Walzer in Blau" abspielt. Die Lithografie vom Festzug zur Silberhochzeit von Ludwig I. mit Hopfenstangen als Wagenschmuck belegt, dass in Grafing einst Hopfen angebaut wurde, in den Vitrinen liegen von Schülern gestaltete Adventskalender und Museumspädagogische Arbeitsblätter; es wird an die Sammelaktion Altpapier erinnert, welche dem Museum zugute kommt. Auch eine Flasche alten Weins, die lange unentdeckt im Keller lag, zählt zu den Exponaten. "Trinkbar ist der nicht", sagt Schäfer. Aber ein ungewöhnliches Souvenir.

Die Ausstellung "50 Jahre Museum Grafing" wird an diesem Donnerstag, 29. Oktober, um 19.30 Uhr im Museum eröffnet und dauert bis 14. Februar. Musik macht das Duo Grafenberg. Zur Ausstellung gehört ein umfangreiches Begleitprogramm.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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