Grafing:Frühstück für die Seele

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Gemütlich zusammensitzen bei Kaffee und Brezen, Musik und Gedichten lauschen, das gibt es beim Grafinger Adventsfrühstück in der Bücherei. (Foto: Christian Endt)

Beim musikalisch-literarischen Adventsfrühstück in der Grafinger Stadtbibliothek werden zu Weißwürsten und Brezen auch Gedichte und Gesang gereicht - zum Teil von den Gästen selbst

Von Jan Schwenkenbecher, Grafing

Servietten mit Christbaumkugelmotiven, Kerzen, Orangen, Tannenzapfen, ein paar vergoldete Drahtweihnachtsbäume - die weihnachtliche Dekoration auf den hufeisenförmig angeordneten Tischen stellt die materielle Grundlage für ruhige Advents-Stimmung. Darüber hinaus werden - um das musikalisch-literarische Adventsfrühstück in der Grafinger Stadtbücherei zu vervollständigen - neben Semmeln, Brezen und Weißwürsten auch musikalische und lyrische Häppchen gereicht. "Gedichten lauschen, sich von musikalischen Einlagen verzaubern lassen", so kündigte die Bücherei das gemeinsame Frühstück an, das sie in Kooperation mit dem Kreisbildungswerk organisiert hatte.

Nach einem Klavier-Instrumental, gespielt von der ehrenamtlichen Helferin Anna Schmid, begrüßt die Leiterin der Bücherei Brigitte Binder die 26 Gäste nur kurz, denn damit das Frühstück gemütlich sein kann, muss zunächst einmal Kaffee her. Als alle Tassen gefüllt sind und sich das Buffet zu großen Teilen auf die Teller der Gäste verschoben hat, eröffnet Binder das Programm. Ein paar Damen plaudern noch leise, Binder ruft sie mit einem zischenden "pssst" zur Ordnung. Keiner ist darüber böse - im Gegenteil: alle lachen, die Stimmung ist heiter. Dann trägt sie, auswendig, ein kurzes Gedicht vor. Eines von der österreichischen Dichterin Hilde Philippi, dass, wie Binder sagt "das Schenken zu Weihnachten etwas relativiert":

Die Mutter zum Kind: Was wünschst Du Dir?

Tamagotchi, drei oder vier?

Barbie und Teddy, Computerspiel?

Sag' was Du willst, wär's auch noch so viel!

Leis' sagt das Kind: Du weißt, was mich freut!

Schenk' mir ein bisschen von Deiner Zeit.

Als Binder das Gedicht beendet, ist es kurz ruhig. Einen kleinen Moment zwar nur. Doch dieser Moment, der einen Tick länger dauert, als das übliche Klatschen-nach-Auftritt, zeigt, dass das Gedicht ankam, dass die Leute zugehört hatten. Wirklich zugehört. Nicht nur die reimenden Verse klangen schön, auch der Text hat berührt. Dann klatschen doch alle.

Anschließend frühstücken die Gäste erst einmal. Sitzen beisammen, trinken gemeinsam Kaffee, reden. Viele der Gäste kennen sich schon, ein paar auch aus dem vergangenen Jahr, als das Adventsfrühstück zum ersten Mal stattfand. Einige haben sich erst dieses Mal neu kennengelernt. Zwei Frühstücksgäste schaffen sogar beides: lernen sich neu kennen, obwohl sie sich bereits kannten. Nach einem kurzen Wortwechsel stellt sich heraus, dass sich beide schon aus Kindheitstagen kennen - da lachen sie. "Das ist eine schöne Sache", sagt eine weitere Frau, "das tut der Seele gut".

Gut für die Seele ist das Frühstück, weil es mehr ist als nur die erste Mahlzeit des Tages. Es ist musikalisch-literarisch. Immer wieder trägt Binder kurze Gedichte vor, die sie zwar nicht selbst geschrieben, aber selbst auswendig gelernt hat. Gebannt hören ihr die Gäste zu, folgen still in Gedanken den kurzen Geschichten. Einige mit geschlossenen Augen, andere den Blick starr vor sich ins Nichts gerichtet. Immer wieder spielt auch Anna Schmid Klavier, mal alleine, mal unterstützt durch den Gesang der Gäste. In diesen Momenten hören alle gemeinsam der Lyrik zu, summen zusammen die Klavierklänge mit. Lauschen und lassen sich verzaubern. Von den Gästen liest nur eine Frau ein Gedicht laut vor, ein paar andere sagen aber ihre Lyrik im kleinen Kreis den Tischnachbarn auf.

Etwa zwei Stunden lang frühstücken und singen, reden und lauschen die Gäste, dann brechen sie auf. Nach und nach verabschieden sie sich, nehmen Jacke und Mütze von der Garderobe. Und gehen durch die Tür der Bücherei nach draußen, beenden das Frühstück und beginnen den Tag.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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