Grafing:"Die Politik essen wir nicht mit"

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Konstantinos Akrivis (links) ist seit 1994 Wirt in Grafing-Bahnhof. Die Senioren-Union hat ihm nun einen Besuch abgestattet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Senioren-Union der CSU besucht das griechische Lokal "Orfeas" in Grafing-Bahnhof und vermeidet aktuelle Themen

Von Lea Weinberg, Grafing

Wenn Griechen und Deutsche auf höchster politischer Ebene aufeinandertreffen, geht das momentan meist wenig harmonisch ab. Wenn Griechen und Bayern privat miteinander zu tun haben, scheinen diese Differenzen hingegen keine Rolle zu spielen. Beim Besuch des Grafinger Ortsvereins der Senioren-Union im griechischen Lokal "Orfeas" in Grafing-Bahnhof jedenfalls wird am Montagabend alles Politische strikt ausgeklammert. Die Stimmung ist freundschaftlich, man kennt sich untereinander schon seit Jahren. "Wir können hier sowieso nichts ändern, außerdem haben die Griechen hier vor Ort nichts mit der Lage zu tun", sagt die Vorsitzende Renate Schaumberg, "die zahlen ja auch ihre Steuern."

"Wir lernen unsere ausländischen Wirte kennen" heißt die Reihe, die die Gruppe der Senioren nun auch zum Griechen geführt hat. Jedes Jahr, mittlerweile ist es das vierte Mal, treffen sich Mitglieder der Senioren-Union und besuchen jeweils einen Wirt, der ursprünglich aus einem anderen Land kommt und in der Gemeinde ein Lokal besitzt. Gastgeber sind dieses Mal Konstantinos Akrivis und Vassilis Neckaliotis, die das örtliche Lokal seit 21 Jahren führen. Bei einem Abendessen sollen sich beide Seiten in erster Linie auf persönlicher Ebene begegnen. Die anwesenden Senioren würde der individuelle Werdegang der jeweiligen Wirte interessieren, erläutert Renate Schaumberg. Und schließlich sei Konstantinos Akrivis der "älteste ausländische Wirt in Grafing".

"Die Griechen mögen wir eigentlich ganz gern", sagt Elisabeth Patschky und lacht. Ihr Mann sei auch oft beruflich in Griechenland gewesen und ihre Kinder machen dort gerne Urlaub. "Man merkt dort eigentlich nichts von dem Theater, das bei uns ist", so Elisabeth Patschky. Auch Jutta Renger geht es an diesem Abend nicht um die politische Lage. Es hätte sich nichts geändert, sagt sie - außerdem sei schließlich die Küche entscheidend. "Die Politik essen wir ja nicht mit", fügt Ilse Hegemann hinzu. Auch einem weiteren Mitglied der Senioren-Union liegt vor allem das "immer gute Essen" am Herzen, außerdem "wird man hier immer freundlich begrüßt". Man habe sich vor allem zum Essen, Trinken und Kennenlernen versammelt, sagen auch andere.

Franz Bauer, der ehemalige Bäcker in Grafing-Bahnhof, hat historische Fotos aus der Gemeinde mitgebracht. Es werden Bilder herumgereicht, auf denen der Grafinger Bahnhof und das Wirtshaus "Orfeas" abgebildet sind, noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Bahnhof und das Wirtshaus sind dem Ort original erhalten geblieben. "1870 wurde das Wirtshaus von Korbinian Wind gebaut", erklärt Franz Bauer, "alle sind damals zum Wirt gekommen." Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm ein Pächter aus dem ehemaligen Jugoslawien, dann kam Konstantinos Akrivis. "Da sind wir richtig froh, dass er das hat und so gut macht", sagt Franz Bauer.

Akrivis selbst ist 1979 mit 18 Jahren nach Deutschland gekommen. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er im Nordwesten von Griechenland. Zuerst lebte er mit seiner Familie in Remscheid. Sein Vater, ein Gastarbeiter der ersten Generation, arbeitete dort in einer Werkzeugfabrik. Als Konstantinos Akrivis 1980 nach München kam, arbeitete er schon neben seinem Studium in der Gastronomie, die ihn dann "nicht mehr losgelassen" hat. So übernahm er ein paar Jahre später seine erste Wirtschaft in Ottobrunn. 1994 eröffnete er schließlich das Lokal "Orfeas".

"Grafing liegt uns am Herzen, wir fühlen uns sehr heimisch hier", erzählt der Lokalbesitzer den Senioren. "Wir haben hier lustige Feste und nicht so lustige Dinge erlebt, so ist das Leben", sagt er. Inzwischen hat der Gastwirt zwei Söhne, die sich beide für eine Handwerkerlehre entschieden haben. Für ihn sei Deutschland inzwischen nicht mehr Ausland. "Wenn Sie mich fragen, wo ich daheim bin, dann weiß ich das ehrlich gesagt nicht", sagt Akrivis und lacht. Schließlich sei er schon länger in Deutschland, als er in Griechenland gewohnt habe.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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