Grafing:Die innere Flamme

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Ein Abend im Turm, der einmal mehr demonstrierte, was einen Jazzer zum guten Musiker macht. (Foto: Christian Endt)

Münchner Jazzquintett mit Leszek Zadlo lässt Turm erbeben

Von Claus Regnault, Grafing

Dieser Abend brachte den "Jazz im Turm" in Grafing zum Beben. Gastensemble war das Münchner Blue Monday Jazzquintett mit Saxofonist Leszek Zadlo. Nach deren erstem Set folgte eine Reihe von Spitzenmusikern, darunter Kontrabassist Martin Zenker und Pianist Claus Raible. Es war auch ein Abend, an welchem die Möglichkeiten des Jazz von durchschnittlich bis phänomenal demonstriert wurden - eine Lehrstunde fast.

Zunächst trat also das den Jazzlegenden Wes Montgomery und Johnny Griffin verpflichtete Quintett, bestehend aus Ralf Peter Fuchs, Saxofon, Franz Freudenreich, Gitarre, Mischa Shizz, Piano, Gerhard Uttenthaler, Bass, und Günther Hauser, Drums, zusammen mit dem polnischen Saxofonisten Leszek Zadlo auf. Alle sechs haben schon einige Jahre auf dem Buckel, sie spielen sozusagen aus der eigenen Erinnerung an ihre Vorbilder. Und da zeigte sich der Unterschied zwischen milder Nachempfindung und kreativer Vergegenwärtigung: Leszek Zadlo überragt seine Kollegen in der eigenständigen, in dynamische Gegenwart beschworenen Kunst seines großen Vorbilds John Coltrane, sich als dessen wahrer Erbe erweisend.

Das Programm der Gruppe begann mit "Cariba" des legendären Gitarristen Wes Montgomery, gefolgt von "Whisper not" des gleichfalls bedeutenden Tenorsaxofonisten Benny Golson. Dann folgte "Invitation" der polnischen, in den 50ern des vorigen Jahrhunderts in Hollywood erfolgreichen Legende Bronislaw Kaper, und bezeichnender Weise lief Zadlo hier, nun auf dem Sopransax, zu improvisatorischer Höchstform auf, die er bis zum Ende des Programms und in der folgenden Jamsession durchhielt. An das Ende seines Sets stellte er, vorher schon das Publikum auf die Bedeutung Coltranes hinweisend, dessen Thema "Some other blues".

Und als dann nach der Pause zwei andere Größen des Jazz einstiegen, nämlich Martin Zenker am Bass und Claus Raible am Piano, stellte sich wie schon bei Zadlo die Frage, was einen Jazzer zum großen Musiker macht. Es ist die "Inner Flame", jener von innen kommende Mitteilungs- und Formulierungszwang, der sich zu seiner ganz persönlichen Aussage verdichtet. Im Spiel solcher Musiker erfährt man etwas wie einen inneren Druck, der sich entladen will und muss.

Drei solcher Musiker an einem Abend sind schieres Glück. Man erlebte durch ihr Spiel nicht nur ihre großartige Improvisationskunst, sondern auch die Stimmen der Jazz-Vergangenheit, die sie auf einen jeweils eigenen Weg geschickt haben: bei Zadlo John Coltrane, bei Raible Bud Powell, Thelonious Monk und Hamiet Bluiett, bei Zenker die Legion großer Bassisten von Ray Brown über Charly Mingus bis zu Charly Haden und Ron Carter. Ein großer, beglückender Abend.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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