Grafing:Damit Eltern nicht alleine dastehen

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Kreisjugendamtsleiter Christian Salberg in seiner Rede die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle der Caritas. (Foto: Christian Endt)

Die Caritas-Beratungsstelle für Familien in Grafing feiert ihr 60-jähriges Bestehen. Ob Probleme bei der Scheidung oder Fragen zur Kindererziehung: Über die Jahre ist die Einrichtung als Anlaufstelle immer wichtiger geworden

Von Isabel Meixner, Grafing

Ein Baby schreit die ganze Nacht. Ein Kind schlägt in der Spielgruppe um sich, seine Mutter ignoriert sein Verhalten. Ein Jugendlicher nervt seine Eltern im Restaurant so lange, bis sie ihm einen Geldschein in die Hand drücken. So überzeichnet jede dieser Szene erscheinen mag, so bekannt kommen der Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien der Caritas die Grundprobleme vor: Eltern sind in Erziehungsfragen unsicher, wissen nicht, wie sie mit Konflikten und Trennungen umgehen sollen, wie viel sie ihren Kindern zutrauen dürfen, ohne sie zu überfordern. "Fakt ist, dass Eltern noch nie so viele Probleme hatten bei der Kindererziehung wie heute", sagte Christian Salberg, Leiter des Kreisjugendamts Ebersberg, als er am Freitag die Deutung der Beratungsstelle würdigte. An diesem Tag nämlich feierte sie ihr 60-jähriges Bestehen.

Dass sich seit dem Anfangsjahr 1955 einiges verändert hat, machte Walter Brilmayer in seiner Funktion als stellvertretender Landrat deutlich: Früher war die Beratungsstelle einen Tag pro Woche offen. Mittlerweile können Menschen hier von Montag bis Freitag, persönlich, online oder telefonisch Hilfe bekommen. Gab der Landkreis 1957 noch 2000 Deutsche Mark für die Einrichtung aus, sind es heute 420 000 Euro. "Es ist unglaublich, was sich da entwickelt hat", sagte Brilmayer.

Mehr als 500 Personen nutzen jährlich die Angebote der Erziehungsberatungsstelle. Vor allem ein Thema nimmt in der Arbeit immer mehr Platz ein: wenn sich die Eltern trennen. Scheidungen seien in den Anfangsjahren noch verpönt gewesen, sagte Salberg. Inzwischen fragen viele Betroffene nach, wie sie ihre persönliche Antipathie zugunsten der Kinder außen vor lassen können oder wie man als Alleinstehende mit den Aufgaben zurecht kommt. "Die Menschen wünschen sich eine Stelle, die schnell und unbürokratisch zu erreichen ist, mit Menschen, denen sie ihre Sorgen anvertrauen können und die mit ihnen gemeinsam Perspektiven entwickeln", sagte Bernhard Kühn, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung in Bayern. Damit das gelingt, wird das Ebersberger Modell im Landkreis praktiziert: Hier haben sich Jugendamt, Familiengericht, Caritas-Beratungsstelle und Mediatoren zusammen getan, um Eltern durch die Trennungszeit zu begleiten und ihnen zu helfen, sich auf das Kindswohl zu konzentrieren.

Fachdienstleiterin Regina Brückner rechnete vor, dass allein in den vergangenen 20 Jahren rund 26 000 Eltern und Kinder die Hilfe der Beratungsstelle aufgesucht haben. In den Anfangsjahren sei es unpopulär gewesen, sich Hilfe in Erziehungsfragen zu holen, ebenso wie bei Beziehungsproblemen. So wie sich die Arbeit der Institution in den vergangenen Jahren verändert habe, werde sie sich auch in Zukunft verändern, sagte Salberg: Die Nachfrage werde eher steigen als sinken. Damit die Beratungsstelle diese Aufgaben auch in Zukunft gut hinbekommt, überreichte Brilmayer Regina Brückner eine Engelsfigur als Glücksbringer: Er soll helfen zu erkennen, wann Hilfe benötigt wird.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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