Grafing:Bedrückend aktuell

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Grafinger Gymnasiasten präsentieren anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus eine Ausstellung, die sich mit Tätern, Opfern und überlebenden Zeitzeugen beschäftigt

Von Lisa Bender, Grafing

Die Diskussion über die Umbenennung des Hans-Sponholz-Angers in Ebersberg ist gerade erst verstummt. Sie hat gezeigt, wie aktuell Geschichte sein kann und dass die Suche über die nationalsozialistische Vergangenheit des Landkreises noch längst nicht ausgeschöpft ist.

Das dachten sich auch dreizehn Schüler des Gymnasiums Grafing und begaben sich auf die Spuren der Vergangenheit. Im Rahmen eines P-Seminars setzten sie sich ein Jahr mit der Thematik auseinander. Sie recherchierten in Archiven, sprachen mit Zeitzeugen und suchten Orte der Erinnerung auf. Die lokale Nähe machte das Thema besonders spannend. "Durch das Seminar hatte ich die Möglichkeit, mehr über die geschichtlichen Hintergründe und den Einfluss des Nationalsozialismus im Landkreis Ebersberg zu erfahren," begründete Sebastian Schreiner seine Wahl des Seminars, das unter der Leitung von Daniela Meixner angeboten wurde.

Erste Anregungen und historische Hintergrundinformationen holten sich die Schüler bei einem Besuch im Münchner Stadtmuseum in der Ausstellung "München - Hauptstadt der Bewegung". Eine Einführung in die Stadtarchive von Ebersberg und Grafing ermöglichte ihnen des Weiteren den Zugang zu lokalen Quellen. Jeder Schüler hat anschließend eigenständig ein Thema gewählt, über das er mehr erfahren wollte. Die Ergebnisse ihrer Spurensuche dokumentieren sie abschließend in Form von selbstgestalteten Plakaten zu den Themen "Hitlerjugend", "Das Lebensbornheim in Steinhöring", "Schule im Nationalsozialismus" und über den Ebersberger "Hans Sponholz".

"Ich habe mich für das Thema Hans Sponholz entschieden, da ich herausfinden wollte, was die Stadt dazu bewegt hat, die Straße umzubenennen," erzählt Julia Kotonski. Ihre Arbeitsgruppe arbeitete die Vergangenheit des Naturschützers, der als Journalist die NS-Ideologie in den 1930er und 1940er Jahren verherrlicht hatte, zusammen mit dem Bund Naturschutz in Ebersberg auf. Eine andere Gruppe recherchierte über das Thema Volkssturm. Nina Engelhardt machte dabei eine traurige Erfahrung. "Viele der Volkssturmsoldaten waren gerade erst zwischen 16 und 18 Jahren, genau unsere Altersgruppe. Man möchte sich nicht vorstellen, einmal in den Krieg zu müssen, vor allem nicht in dem Alter." Der Vorsitzende des Aßlinger Krieger- und Soldatenvereins half der Arbeitsgruppe dabei mit ausführlichen Informationen weiter. Auch die Sichtung im Archiv der Grafinger Zeitung bescherte den Jugendlichen die Möglichkeit, die Berichterstattung der damaligen Zeit nachzulesen. "Es hat uns gezeigt, dass der Bevölkerung nicht die Wahrheit über die angeblich gute Ausbildung der Volkssturmsoldaten erzählt wurde," erzählt Nina Engelhardt.

Die Schüler eines P-Seminars am Grafinger Gymnasium haben sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Landkreises auseinandergesetzt. (Foto: privat)

Als besonders interessant empfanden alle Teilnehmer die Interviews, die sie mit den Zeitzeugen führen konnten. "Sie ermöglichten uns einen realitätsnäheren Einblick in die Geschichte, als es Bücher oder Bilder je gekonnt hätten," berichtet Sebastian Schreiner. "Viele der Zeitzeugen waren damals so alt wie wir heute. Sie erzählten uns etwas über das Leben als Jugendlicher während des Nationalsozialismus."

Nachdem die Schüler die Recherchearbeit beendet hatten, ging es an die Auswertung und Reflexion der Ergebnisse - ein weiterer lehrreicher Aspekt für die Jugendlichen. Sie hätten die Erfahrung gemacht, dass ein kritischer Umgang mit den Quellen äußerst wichtig sei. Auch die Gestaltung der Plakate sowie die organisatorischen Aufgaben, die Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort oder Finanzierungsmöglichkeiten stellten die Schüler vor neue Herausforderungen.

Die Schüler sehen mit Freude und Stolz diesem Dienstagabend entgegen, wenn sie ihre Plakate der Öffentlichkeit präsentieren können.

Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Grafing durchgeführt. Anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus findet die Vernissage an diesem Dienstag, 27. Januar, um 18.30Uhr statt. Die Ausstellung ist danach zu den Öffnungszeiten des Stadtmuseums zu besichtigen

© SZ vom 27.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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