Palliativversorgung:Schützendes Netz für den letzten Weg

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"Es geht dann darum, Liebe und Nähe zu zeigen und auf anderer Ebene Kontakt aufzubauen", sagt Patricia Vogl, zweite Vorsitzende des Christophorus-Hospizvereins. (Foto: Claus Schunk)

Bei einem Informationsabend in Glonn stellen verschiedene Akteure die Hospiz- und Palliativversorgung im Landkreis vor. Die Einrichtungen arbeiten eng zusammen.

Von Anja Blum, Glonn

Kein schwerkranker Ebersberger muss alleine und unter Schmerzen sterben. So die Botschaft eines Abends im Glonner Marienheim. Unter dem Titel "Selbstbestimmt und würdig leben - bis zu letzt" stellten diverse Akteure so kompetent wie einfühlsam die Hospiz- und Palliativversorgung im Landkreis vor: ein dichtes Netz, das all jene auffangen möchte, die auf ihrem letzten Weg Begleitung brauchen.

Und tatsächlich ist kaum ein Fall vorstellbar, in dem dieses Netz nicht trägt. Egal, ob ein Patient zu Hause beziehungsweise im Pflegeheim bleiben möchte, oder in die Klinik geht: Überall stehen ihm Menschen zur Seite, die ihm und seinen Angehörigen die Phase des Abschieds körperlich wie seelisch erleichtern können. Und das Netz ist dicht geknüpft: Alle Akteure arbeiten sehr eng zusammen.

Der Wunsch des Patienten stehe im Vordergrund

Allen voran steht der Ebersberger Hospizverein, dessen Ehrenamtliche die Betroffenen zu Hause, im Pflegeheim und in der Klinik besuchen. "Früher wurden Sterbende oft in ein Kämmerchen geschoben - das ist heute Gott sei Dank nicht mehr so", sagte Birgit Deppe-Opitz, die viele Jahre als Krankenhausseelsorgerin gearbeitet hat. Im Gegenteil: Heute stünden allein die Wünsche der Patienten im Vordergrund; das betonten alle Redner des Abends.

Die Helfer des Hospizvereins, im Landkreis 40 an der Zahl, sind dabei für die psychosozial-spirituelle Begleitung zuständig. "Das heißt: Gespräche führen, Vorlesen oder einfach nur da sein - je nachdem, was dieser Mensch eben braucht", so Deppe-Opitz. Die Hospizhelfer würden zwar sehr intensiv ausgebildet, pflegerische Maßnahmen seien ihnen jedoch nicht erlaubt.

"Wieso machst Du das? Bist Du ein Masochist?", werde er oft gefragt, sagte Mike Schenker, einer der beiden Ehrenamtlichen, die gekommen waren, um von ihren Erfahrungen zu erzählen. Doch das Gegenteil sei der Fall: "Dieser Dienst am Menschen ist eine enorme Bereicherung, ich lerne bei jeder Begleitung sehr viel dazu", so Schenker. Vor allem über sich selbst. "Es ist einfach alles so echt", sagte seine Kollegin Roswitha Simon sichtlich bewegt.

Spezialisierte Helfer machen auch Hausbesuche

Ein zweiter wichtiger Baustein der Hospizbewegung im Landkreis ist das SAPV-Team der Caritas, das eine "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" leistet. Diese Helfer kommen ebenfalls nach Hause oder ins Pflegeheim, decken aber vor allem die medizinische Seite ab. Dafür müssen allerdings drei Voraussetzungen erfüllt sein, sonst übernehmen die Kassen die Kosten nicht. "Der Patient muss eine Krankheit haben, die zum Tode führen wird, es muss eine starke Symptomlast vorliegen und der Hausarzt eine entsprechende Verordnung ausstellen", erklärte Dagmar Kiefert vom SAPV-Team.

Seit zwei Jahren gibt es dieses zusätzliche Angebot im Landkreis und es scheint erfolgreich zu sein: Egal, ob starke Schmerzen, Übelkeit oder Atemnot - "wir kriegen das alles meist gut in den Griff". Zum Service gehört eine Notfallnummer, unter der sich Patienten und Angehörige rund um die Uhr Hilfe holen können. "Da reicht oft schon ein Telefonat, in dem man den Betroffenen noch einmal erklärt, was sie tun können, wenn eine bestimmt Situation eintritt", so Kiefert. "Und allein das Wissen um die Nummer bringt schon viel Sicherheit und Ruhe rein".

Sogar Kollegen aus dem Marienheim bestätigten dies: Man habe immer öfter schwere Fälle im Haus und sei daher sehr froh um die professionelle Unterstützung, hieß es aus dem Plenum. Diese Entwicklung zeigt sich auch an der Zeit, die die Bewohner im Marienheim verbringen: Sie nimmt deutlich ab. 2006 waren es laut Pflegedienstleitung Susanne Mahn im Durchschnitt noch 299 Tage, 2015 nur mehr 240.

Ohne Schmerzen - auch im Krankenhaus

Seit etwa zehn Jahren pflegt man in der Glonner Einrichtung eine "christliche Hospiz- und Palliativkultur", deren Kern Mahn so beschreibt: "Wir mussten erst lernen, dass nicht wir Fachkräfte wissen, was gut für den Bewohner ist, sondern nur er selbst." In diesem Sinne versuche man auch in Situationen, in denen die Autonomie des Patienten und die Fürsorgepflicht des Personals miteinander kollidierten, zu positiven Lösungen zu finden. "Wenn jemand partout nichts essen mag, dann können wir in einer ethischen Fallbesprechung mit allen Beteiligten zum Beispiel vereinbaren, dass er nicht gedrängt werden soll, wir ihm aber immer wieder kleine Portionen von seinen Leibspeisen und hochkalorische Getränke anbieten."

Das Wort "palliativ" leite sich ab vom lateinischen "pallium" für "Mantel" und bedeute "schützen, umfangen, wärmen", erklärte Barbara Eßer, Leiterin der gleichnamigen Station der Kreisklinik. Ziel sei es hier ebenfalls, den Patienten zu einem bestmöglichen Leben mit der Krankheit zu verhelfen - ohne Schmerzen und Isolation, mit möglichst wenig Trauer, Angst oder Scham. "Bei uns wird der Tod weder hinausgezögert, noch beschleunigt", so Eßer.

"Wir wollen nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben", zitierte sie Cicely Saunders, die Begründerin der Hospizbewegung. Für einen Aufenthalt in der Palliativstation allerdings muss eine Krankenhausbehandlung notwendig sein, so dass mancher Patient diesen Ort schon nach ein paar Tagen wieder verlassen muss. "Wir sorgen immer für einen guten weiteren Weg", versprach die Ärztin, schloss sich aber der Meinung der Mehrheit an, dass hier leider ein "Fehler im System" liege.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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