Glonn:Rosen für die Operette

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Thomas Pfeiffer und Elisabeth Artmeier entführen ihre Zuhörer im Glonner Marienheim in die Welt der Operette. (Foto: Christian Endt)

Beim Konzertabend im Marienheim erfährt ein verblassendes Genre neuen Glanz

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

Es ist ein magischer Moment, als Torsten Frisch von der Bühne steigt, einen Strauß Rosen in der Hand. Elegant im Frack, den Evergreen "Dunkelrote Rosen, bring ich, schöne Frau" auf den Lippen, bewegt er sich durch die Reihen im Zuhörerraum des Großen Saals im Glonner Marienheim und verteilt die langstieligen Blumen unter den weiblichen Gästen des freitäglichen Operettenabends. Ein kollektives Seufzen hängt in Luft und die imaginäre Erinnerungswolke lädt sich schneller auf als ein Sommergewitter: An die großen Revuen und Musikfilme der 1950er und 60er Jahre, die getragen waren von diesem Genre der leichten Muse mit klassischem Beiklang.

Die Einordnung in diese Zeit sowie die Unbeschwertheit der Themen und Melodien haben aus der Sicht des aufgeklärt-kritischen Publikums den Ruf der Operette als ernstzunehmendes Genre dauerhaft getrübt. Auf den großen Bühnen spielt sie bestenfalls noch eine Nebenrolle, aus Hörfunk und Fernsehen ist sie fast ganz verschwunden, auch weil irgendwann nichts Neues mehr nachkam. Dabei darf man die unterhaltsamen Werke eines Franz Lehar, eines Paul Lincke oder eines Johann Strauss (Sohn) in ihrer Wirkungsgeschichte getrost als Vorläufer der Musicals betrachten, denen heute die Showbühne gehört. Man denke nur an die "Lustige Witwe", die als "Merry Widow" die englischsprachigen Konzertsäle, globale "Fanshops" und kreative Schnitzelteller eroberte und im Premierenjahr auf 600 Aufführungen allein in Wien kam.

Solche Erkenntnisse erwuchsen dem Publikum in Glonn nicht zuletzt dadurch, dass die Sopranistin Elisabeth Artmeier im Rahmen ihrer Moderation, mit klug gewählten Notizen und Anekdoten die diversen Epochen der Operette, von "golden" über "silbern" bis Revue, erläuterte und in einen größeren Zusammenhang stellte, als es eine Aneinanderreihung von Ohrwürmern vermocht hätte. Eine Erwähnung des Österreichers Bert Reisfeld zum Beispiel, dem Schöpfer des Titels "Ich bin so schüchtern, Madame", aber auch Mitautor des Comedian Harmonist-Klassikers "Ein kleiner grüner Kaktus" machte die enge Verflechtung von Kunstlied, Chanson, Couplet und Gassenhauer deutlich, die kompositorische Energie freisetzte, statt sie zu begrenzen.

Artmeier und Frisch präsentierten sich im Marienheim zudem als zwei Künstler in Höchstform, denen man ihre Leidenschaft für die Spiel- und Gesangsform "Operette" bei jedem Takt anmerkte und die sich bei "Tanzen möcht' ich, jauchzen möcht' ich" in so eleganten Walzerschritten übers Parkett bewegen, wie sie die Czardasfürstin auch nicht schöner hinbekommen hätte. Die Sopranistin erfreute das Ohr präzise artikulierend, souverän mit den Dynamiken der einzelnen Titel spielend. Kraftvoll jauchzend bis sinnlich hauchend beherrschte sie das Spektrum der emotionalen Bandbreite, verstand es immer wieder aufs Neue, jedem Titel seine individuelle Prägung zu geben. Gerade in den Duetten mit ihrem Bariton-Contrepart gelangen so Momente von eindringlicher Stärke. Fritschs gepflegte und zu feinen Nuancen aufgelegte Stimme verband die Disziplin der Oper und die Akzentuierung des Kunstlieds mit der ausdrücklichen Leichtigkeit der Operette zu einem zwingenden Beweis dafür, dass ein ernstzunehmender Sänger durchaus in allen drei Disziplinen zuhause sein kann - eben, weil es mehr Verbindendes als Trennendes zwischen ihnen gibt.

Als vorzüglicher Begleiter am Flügel ließ Thomas Pfeiffer zwar den Sängern den akustischen Vortritt, ließ jedoch in einigen Potpourris anklingen, wie wohl er sich in der Rolle fühlte und wie sehr er den Ausflug in die Operettenwelt genoss. Immer wiederkehrende "Bravo" schon beim Zwischenapplaus sowie begeisterter Beifall zur Pause und am Ende zeigten, dass diese Wirkung auch das vollbesetzte Haus ergriffen hatte.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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