Glonn:Messen, zählen, blitzen

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Die Glonner Verkehrsinitiative will einen Verein gründen und stellt Leitziele für ihre Arbeit auf. Doch ganz auf eigenen Füßen wollen die Mitglieder noch nicht stehen und hoffen auf Hilfe vom Kreisbildungswerk

Von Anselm Schindler, Glonn

Claudia Pfrang, Geschäftsführerin des katholischen Kreisbildungswerkes in Ebersberg, verteilt riesige Blätter an die Gäste in einem Café in Glonn. "Wie können wir die Verkehrssituation verbessern?" steht auf einer Pinnwand hinter Pfrang. Rund 20 Bürger sind gekommen, sie sollen sich nun in Vierergruppen zusammentun und Vorschläge ausarbeiten. Am Ende des Treffens, zu dem auch die neue Initiative zur Verkehrsberuhigung in Glonn aufgerufen hat, werden Leitziele abgesteckt sein: Eine systematische Verkehrszählung an allen großen Straßen gehört dazu, Feinstaub- und Lärmmessungen sowie ein stationärer Blitzer. Zudem sollen die Bemühungen in einem Amt institutionalisiert werden, die beteiligten Bürger wünschen sich einen Verkehrsbeauftragten für ihre Gemeinde. Und Tempo 30 auf der Staatsstraße, die durch das Herz des Ortes führt. Doch diese Beschlüsse sind eine schwere Geburt an diesem Montagabend, bis sie notiert werden entspinnt sich eine langwierige Diskussion.

In Glonn hat sich in den vergangenen Wochen eine Initiative herausgebildet, die sich in den kommenden Tagen in einen Verein verwandelt will. IGRVG - das ist das etwas sperrige Kürzel der Vereinigung. "Interessensgemeinschaft zur Reduzierung des Verkehrs in Glonn" ist der ebenfalls sperrige Name der Gruppe. Zehn Mitglieder hat sie bisher. Doch der Verein will eine breite Basis in der Glonner Dorfgemeinschaft, selbstbewusst wirft Mitbegründer Anton Altinger die Zahl 200 in den Raum. "Wir werden 400", kontert eine Bürgerin mit einem Lachen.

Claudia Pfrang wirkt im Verlauf des Abends etwas desorientiert, sie scheint nicht so recht zu wissen, was ihre Aufgabe hier sein soll und das sagt sie auch so. Dabei ist die Verkehrsinitiative vor allem aus ihrem Engagement hervorgegangen. Anfang vergangenen Jahres hob Pfrang im Auftrag des Gemeinderates den Glonner Teilhabekreis aus der Taufe. Das Ziel: Bürger mehr in die Weiterentwicklung der Gemeinde einzubeziehen. Ende April folgte diesem Wunsch ein "Zukunftsworkshop", der allen Bürgern offen stand. "Wir wollten dort schauen, in welchen Bereichen sich Bürger einbringen können und was sie verändern wollen", erklärt Claudia Pfrang, die den Zukunftsworkshop leitete. Das Haupt-Thema war schnell herausgefunden: Die Verkehrsbelastung durch die Bundesstraße.

Im August folgte dann ein erstes Treffen für Interessierte: 40 Menschen versammelten sich im Hof von Anton Altinger, der im Herzen Glonns eine Schreinerei leitet und selbst vom Verkehrsgetöse betroffen ist. Claudia Pfrang begleitete diesen Prozess. Ihre Aufgabe, durch Teilhabekreis und Workshop Bewegung in das bürgerschaftliche Engagement zu bringen und als Starthilfe für Bürgerinitiativen zu fungieren, hat sie damit eigentlich schon erfüllt. "Ich sag nicht so oder so muss es jetzt weitergehen, mein Job ist jetzt gelaufen", erklärt Pfrang. Nachdem das Thema Verkehr jetzt von einer Bürgerinitiative übernommen werde, könne sich ihr Teilhabekreis und der Workshop nun anderen Themen widmen. "Sie sind die Mutter und der Verein nabelt sich jetzt ab", erklärt Schreiner Anton Altinger, es wird herzlich gelacht.

Doch die Bürger wollen nicht so recht in die Selbstständigkeit entlassen werden. Als Pfrang die zu Beginn der Veranstaltung zur Ideensammlung ausgeteilten Blätter einsammeln will, sind die meisten noch leer. "Wir brauchen Sie einfach noch, um zu koordinieren, Sie können das, ich als Schreiner nicht", sagt Altinger in Richtung Claudia Pfrang. Die ist davon nur wenig begeistert, schließlich ist das gemeindliche Budget für ihre Arbeit sehr schmal, ihr Engagement für Teilhabekreis und Zukunftsworkshop läuft vor allem ehrenamtlich. Dann lässt sich Pfrang dazu breitschlagen, weiter die "Mutter" zu geben.

Und die scheint es vorerst auch zu brauchen, um den Laden zusammenzuhalten. Immer wieder kommen Zweifel an den Erfolgschancen auf. Lässt sich Tempo 30 auf der örtlichen Staatsstraße durchsetzen, wo diese doch nicht im Verwaltungsbereich der Gemeinde liegt, sondern in das Aufgabenfeld des Rosenheimer Straßenbauamtes fällt? Lassen sich verkehrsberuhigende Maßnahmen im Glonner Gemeinderat durchsetzen, "auch gegen den Widerstand der CSU"?, wie ein Bürger fragt. Die Erfahrungen im Gemeinderat hätten schließlich etwas anderes gezeigt. Doch an dieser Stelle können die Initiatoren der Verkehrsinitiative Optimismus verbreiten: "Der große Vorteil ist doch, dass wir überparteilich sind, da haben wir auch im Gemeinderat höhere Erfolgschancen, unsere Vorschläge durchzubringen", ist sich Alexander Maier sicher. Auch Maier ist Mitbegründer der Initiative und wie Anton Altinger als Anlieger direkt vom Verkehrslärm betroffen.

Im Zweifelsfall sei man auch bereit, gegen Entscheidungen des Rosenheimer Straßenbauamtes zu protestieren und zu prozessieren, heißt es aus der Initiative. Sonst sei man aber nicht auf Konfrontation aus, man wolle den Verkehr nicht verbieten, sondern nur entschleunigen. "Schließlich fahren wir ja auch selbst durch andere Gemeinden durch, wir wollen Verständnis und keine Fronten aufbauen", erklärt das Alexander Maier. Zu diesem Verständnis gehöre auch, das Verantwortungsbewusstsein der Bürger. Die Mitglieder des Vereins haben sich dazu zu allererst schon mal selbst verpflichtet, durch Ortschaften nur noch mit 30 Kilometern pro Stunde Geschwindigkeit zu fahren, um Raser auszubremsen. "Wir sind die Straßenguerilla", sagt SPD-Gemeinderätin Renate Glaser und lacht.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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