Glonn:Charakteristische Gewürze

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Grandioses Zusammenspiel: Aleksander Koncar am Bass, Klaus Falschlunger an der Sitar und Christian Unsinn am Drumset. (Foto: Christian Endt)

Der Auftritt von "Sitar Station" in der Glonner Schrottgalerie öffnet Jazz-Freunden neue Perspektiven

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

Eine Überlegung vorweg: Man sitzt da in Oberbayern in einem Konzert und hört zwei Österreichern und einem Serben dabei zu, wie sie europäischen Jazz mit indischer Musik würzen. Natürlich, siehe unten, kann man das beschreiben. Darum ist es an der Zeit, sich vom Begriff "Weltmusik" ein für alle mal zu verabschieden. Einem Hilfsmittel, so wird es an diesem Abend in der Schrottgalerie in Glonn überdeutlich, das letztlich zu wenig über den Charakter von Ensembles und ihren Stücken vermittelt und die Ausdruckskraft der Sprache "Musik" unzulässig verwässert. Eine Überlegung.

Mit Sitar Station zogen bislang ungewohnte Klänge in die Schrottgalerie ein, ein Beleg für die anhaltende Entdeckungs- und Experimentierfreude der Gastgeber. Die Musik des Trios war für die Jazzer im Publikum eine Erweiterung des Bewusstseins, für die Blueser eine Erweiterung des Horizonts. Dreh- und Angelpunkt dieser Effekte war das namengebende Instrument, das wie kein anderes das im Westen bekannte Klangbild des Subkontinents prägt.

Schon optisch führt kein Weg an der Langhalslaute mit den charakteristischen Bünden vorbei, wie auch am Spieler, der traditionell am Boden sitzt. Die markante Stimm- und Spielweise fügt jedoch eine außergewöhnlich breite Palette für ornamentale Ausprägungen hinzu. Vom Akzentsetzen her ein bisschen mit der Funktion der Steelguitar vergleichbar, verfügt die Sitar gleichwohl über einen viel größeren Reichtum an Reizen, die sie setzt. Letztlich ist es wie beim indischen Essen: Sobald die charakteristischen Gewürze ins Gericht kommen, tritt der Genießer in eine völlig neue Geschmackswelt ein. Darüber hinaus, und das haben Sitar Station in Glonn vortrefflich demonstriert, ist indische Musik eben mehr als Tempeltanz, Bollywood-Gesülze und Ayurveda-Lounge.

Bandleader Klaus Falschlunger, der in Indien gelebt und studiert hat, zeigt ein ums andere Mal nicht nur, wie viel Groove in dieser Musik steckt. Sondern es gelingt dem Trio mit geschickten Griffen ins Repertoire von Funk, Folk und Rock auch, markante Klanglandschaften zu erschaffen und Geschichten zu erzählen, die voller Leben und Poesie stecken.

Eben kein Whatsapp-Schnappschuss vom Taj Mahal, sondern spannungsvolle Bilderbögen, in denen sich die Zuhörer phantastisch bewegen können. Bezeichnenderweise ist es ein Stück, das unseren Kulturkreis berührt, in dem dies besonders intensiv gelingt: "Poplava" berichtet vom großen Hochwasser, das voriges Jahr Serbien und Bosnien heimsuchte. Nicht auf "vier", sondern auf "drei" läuft da der Takt, wie er die Musik vom Balkan prägt, und schon wird das Leitinstrument geografisch neu verortet. Rhythmisch stark, voller Wirbel und Strudel, ist das Stück von beispielhaft berührender Kraft und klanglicher Intensität, wie sie den ganzen Abend erfüllt. Großer Respekt sei dabei dem fein ausbalancierten Zusammenspiel des Trios gezollt: Aleksander Koncar am Bass und Christian Unsinn am Drumset spielen auf so hohem Niveau, dass Klaus Falschlungers Sitar integriert statt angehimmelt wird.

Gewöhnungsbedürftig für die Unplugged-Fraktion in der Glonner Schrottgalerie war der vergleichsweise intensive Einsatz von Technik. Für einige Effekte wie bei den Loops und beim Schlagzeug war das jedoch keine Spielerei, sondern ein tragendes Element. Angesichts der Rolle Indiens als digitale Weltmacht erscheint er offenbar akzeptabel. Dem schon zur Pause begeisterten Applaus und dem Wunsch nach Zugaben jedenfalls tat er keinen Abbruch.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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