Glonn:Auszeit am Abend

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Lieder von der Liebe, von Großstädten, Ungerechtigkeiten und dem ganz normalen Leben hat das Duo Kupfer im Programm. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Auftritt von Kupfer in der Schrottgalerie entführt die Zuschauer in eine andere Welt

Von Carolin Schneider, Glonn

Ein lautes, dreifaches "Glanz" hallt durch die Schrottgalerie in Glonn, dann machen die Zuschauer eine Bewegung, als würden sie etwas polieren. Stefan Weyerer ist begeistert: Genau so hat er sich das Ende des Liedes "Glanz" vorgestellt, das er gerade zusammen mit seinem Kollegen Nick Flade zum Besten gegeben hatte. Die beiden Musiker sind das Duo Kupfer und sie erfreuen am Freitagabend ein kleines Publikum in Glonn an Keyboard und Gitarre. "Die beiden Jungs wurden mir empfohlen", verrät Veranstalter Sven Friedel. "Und ich habe mir gedacht, Kupfer ist zwar schon ein wertvolles Material, aber eine Musikgruppe mit diesem Namen?" Zuerst etwas skeptisch, sei er begeistert gewesen, nachdem er die ersten Töne von den beiden gehört habe.

Begeistert ist auch das Publikum von den beiden Songwritern. Viele sind nicht gekommen, dennoch klappen die interaktiven Teile des Konzerts, die die beiden geplant haben, gut. "Ich geb zu, wir haben auch ein paar Weltverbesserungssongs dabei", so Weyerer nach dem rockigen Stück "Herz sucht Krieg", das im Publikum einige Füße zum Klopfen des Takts veranlasst hat. Sie beginnen wieder zu spielen, Weyerer erzählt mit seiner sanften Stimme von einer Dame, die nach Jahren zurück in ihre Heimat Donezk kommt und dort alles ganz anders vorfindet. "Lasst uns die Weltmaschinerie in Gang setzen und damit die Welt verbessern", ruft Weyerer ins Publikum und fängt an, rhythmisch zu klatschen. Zögerlich machen die Zuschauer mit, der Gitarrist feuert sie weiter an, bis alle mitmachen. "Jetzt stellt euch einfach vor, was ihr an dieser Welt gerne verbessern wollt", empfiehlt Weyerer. Und dem Lächeln auf den Gesichtern der Zuschauer zufolge ist die Welt in diesem Augenblick tatsächlich etwas besser - durch fetzige Töne und zwei leidenschaftliche Musiker.

Die Performance der beiden lebt von der Interaktion mit ihren Zuhörern. Etwa als eine Dame sich einen anderen Platz sucht, weil sie an ihrem den Text der Lieder nicht versteht. "Das wäre sehr schade", sagt Songwriter Weyerer. "Wir haben uns so Mühe gegeben." "Das merkt man, Stefan", meldet sich ein Herr aus dem Publikum zu Wort. Die Lieder handeln von der Liebe, von Großstädten, Ungerechtigkeiten und dem ganz normalen Leben. Weyerer singt die Texte voller Leidenschaft, mal ganz sanft, mal mit Nachdruck, mal so als fühle er die Schmerzen, die er im Lied besingt. Dabei ist er jedoch nicht abgehoben, immer wieder öffnet er die Augen, blickt ins Publikum, zwinkert oder lächelt. Manchmal schaut er seinen Kollegen Fade an, lächelt ihm zu, wenn dieser eine Begleitung improvisiert, oder flüstert: "Heute müssen wir richtig gut sein, Nick!". Die Verbindung zwischen den beiden Musikern und die zu ihrem Publikum machen das Konzert in Glonn zu einem ganz persönlichen Abend.

Stefan Weyerer lässt seinen ganzen Körper die Liebe zur Musik erzählen. Mit einem Bein klopft er den Takt so stark auf den Holzboden, das dieser bis zu den Zuschauern vibriert. Sein Kopf bewegt sich im Rhythmus, er singt mit in den Nacken gelegten Kopf, schließt die Augen, spielt seine Gitarre, lächelt. Dass er vor lauter Leidenschaft nicht abhebt, ist verwunderlich. Nur das Instrument, das auf seinem Schoß liegt, scheint ihn auf dem Stuhl zu halten. Nick Fade bringt seine Begeisterung für Musik auf andere Weise zum Ausdruck. Mit geschlossenen Augen sitzt er ruhig vor dem Instrument, dem er die verschiedensten Töne entlockt. Schaut man in sein Gesicht, scheint er der Musik entspannt zu lauschen. Ein Blick auf seine Finger, die sich in rasender Geschwindigkeit über die Tasten bewegen, verrät jedoch, dass er der Macher der manchmal fetzigen, manchmal ganz ruhigen Töne ist. Zuweilen scheint es, als spiele er auf Klavier und Synthesizer mit mehr als zwei Händen.

Die Glonner möchten die neuentdeckten Musiker nicht so schnell wieder gehen lassen. Zwei Zugaben müssen Weyerer und Fade am Ende des Abends spielen. "Du kannst dein Leben lang versuchen, dazuzugehören", singen die beiden. "Bis dir klar wird: Normalsein ist Wahnsinn!" Ein Lied, das Weyerer in den Kopf kam, als er eines Tages in die U-Bahn stieg und dort alle Leute nur auf ihr Smartphone hat starren sehen. Totaler Wahnsinn, wenn auch in der heutigen Zeit irgendwie normal. Kupfers Auftritt in der Schrottgalerie, war vieles, nur nicht normal: Ein Abend angefüllt mit leidenschaftlicher Musik, Texten, die zum Nachdenken anregen, und zwei Männern, die die Musik zu leben scheinen.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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