Gerhard Polt in Grafing:Ja mei, der Geoffrey

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Gerhard Polt setzt bei seinem Auftritt in der Stadthalle Grafing auf Altbewährtes. In der Rolle des Ewiggestrigen trifft er mit "Braucht's des?" einen gern strapazierten Nerv

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Er muss nichts sagen, keine Pointe aufbauen, nicht einmal Grunzen. Die Aura dieses Mannes genügt meist schon, und so war es am Donnerstagabend auch in der Stadthalle Grafing. Er betrat die Bühne und zauberte den Menschen auf den Stühlen sogleich diese Freude ins Gesicht, die aufkommt, wenn man an acht Metzger in einem Bierzelt denkt, an das Stuhlbein vom Adi oder an diesen varreckten Leasingvertrag.

Der Kabarettist, Humorist, Autor und Inspirator Gerhard Polt, er hatte eine dunkelbraune Cordhose gewählt, ein beiges Sakko über einem Karohemd, bewusst unförmig, und so, dass sich die eine Farbe mit der anderen beißt. Genau so kennen sie ihn, ihren Gerhard Polt, ihn und seine Figuren, stets konfrontiert mit der sich verändernden Welt. Und dazu zählen in Polts aktuellem Programm "Braucht's des?" neumodische Kindernamen: "Geoffrey" zum Beispiel. Sieben Laute, die auf einem Blatt Papier wenig aussagen. Aus dem Mund Polts hingegen entfacht der "Geoffrey" durch die bloße Aussprache mit dem bewusst ungelenken Zungenschlag eine unheimliche Wucht. Sie schlug beim Grafinger Publikum ein wie eine Bombe. In solchen Momenten ist Polt seit jeher unübertroffen.

Die Stadthalle war wenig überraschend ausverkauft, so wie bei Polts jüngstem Auftritt im Landkreis Ebersberg im Sommer 2014. Damals hatte Polt noch die musizierenden Gebrüder Well zur Unterstützung dabei, diesmal war er alleine gekommen. Und er vermochte es wie damals, sein Publikum zu begeistern, es gab wieder Passagen, wo selbst dem grimmigsten Zwiderlappen ein Grinsen entweichen musste. Dieser recht einfach daherkommende und doch so eigene Blick, oder die rezensierende Kritik des sich schnäuzenden Nachbarn, die Analyse, dass im Aufzug niemand mehr grüßt. Weil die Zeit längst vorbei ist, in der es noch einen Anstand gab. Zeiten, in denen der U-Boot-Kommandant Günther Prien "noch im Untergang gegrüßt" hat.

Es wurde zuweilen stürmisch gefeiert, Polt ließ sein Publikum aber auch zur Ruhe kommen, wobei nicht geklärt ist, ob die Stadthallenbesucher damit einverstanden waren. Etwa in seinen Kurzlesungen, einer Neuausgabe Poltscher Lausbubengeschichten über Burschen, die Stockschützen ärgern oder Ratzen, die durch Metzgereien gejagt werden. Braucht's des?, könnte man fragen. Wer Polts Gesamtwerk kennt und schätzt, der würde mit einem klaren Ja antworten.

Den Grafingern gefiel es besser, wenn Polt in die Rolle des Ewiggestrigen schlüpfte, wenn er seinen genauen, sezierenden Blick auf den Kleingeist in seinen Figuren verpackt: Als eingenähter Eingeborener, der dem Bub jene Welt erklären will, die Polts Erzählfigur keinesfalls verstanden haben darf. Oder wenn er den bürgerlichen Kleingeist gibt, der eine Drohne zum Nachbarn rüberfliegen lässt, um ihn beim Grillen auszuspionieren.

All das sind keine neuen Typen in der Palette Polt, höchstens Abwandlungen, die im Kern aber diese hundsgemeine Gschertheit ausmachen, die man von Polt kennt, seit er das erste Mal eine Bühne betreten hat. Der selbstüberzeugte Grobian ist nicht neu. Doch muss er das denn sein? Neu? Nein muss er nicht, zumindest nicht bei Polt. Es sind die Geschichten von der Mutter, die ihre Sätze mit "D'Anne hat g'sagt" einleitet, die vom Ausbeuter und vom Geizhals, die Polt in den Siebzigerjahren berühmt gemacht haben. Und es waren am Donnerstag genau diese Figuren, bei denen die Stadthalle polterte.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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