Verein Mbayan Kamerun:Licht aus der Tiefe der Musik

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Beim 4. Zornedinger Benefiz-Musikfestival spielen 24 Bands und Solisten, darunter die Pianisten Chris Gall und Michael Leslie sowie Bassistin Christine Hoock

Von Rita Baedeker, Zorneding

Von Zeit zu Zeit offenbart der Herrgott, oder wer sonst für die himmlische und irdische Elektrizität zuständig ist, Sinn für Ironie. So etwa am Samstag beim 4. Zornedinger Musikfestival des Projekts "Mbayan Kamerun e.V.", dieses Mal unter dem Motto "Licht an!" Mit den gesammelten Spenden sollen Solarlampen finanziert werden, um die Hütten der Dorfbewohner im Regenwald zu beleuchten. Außerdem versinnbildlicht das Licht die Hoffnungen der Kinder und Jugendlichen auf eine bessere Schul- und Berufsausbildung, auf ein besseres Leben.

Im Augenblick heißt es in der Christophoruskirche, einem der drei Spielorte des Festivals, allerdings erst einmal "Licht aus!". Gerhard Müllritter, der das Salonorchester Konzertfreunde München leitet und fürs gesamte Programm des Tages zuständig ist, steht kopfschüttelnd vor dem Sicherungskasten. Er ist Musiker, kein Elektriker. Aber ein bisschen kenne er sich auch da aus, sagt er lachend.

Soeben ist zum wiederholten Mal das Licht im Gemeindesaal und im Vorraum ausgefallen. Keiner weiß, warum. In wenigen Minuten beginnt das Konzert des Klaviervirtuosen und Beethoven-Interpreten Michael Leslie. Gut, dass Barbara Weiß, Gemeinderätin und Initiatorin des Projekts, eine Lampe mit hellen Strahlern dabei hat. Damit macht sie nicht bloß wiederholt auf den Sinn und Zweck der Veranstaltung aufmerksam, sie garantiert auch Leslie eine notdürftige Beleuchtung. Zum Glück bleibt es hell im voll besetzten Saal, als dieser sich an den Flügel setzt, so als habe er mit den ersten Takten per Zauberhand den Schaltkreis stabilisiert. Was nicht verwundert, denn er ist imstande, die Elementarteilchen der Musik zu einer Interpretation zu verbinden, die Drähte zum Glühen bringen kann. Beethovens Kompositionskunst, sie leuchtet aus der Tiefe.

Die Jugendlichen vom Orchester des Gymnasiums Kirchseeon favorisieren Jazz und Swing. (Foto: Christian Endt)

Die Darbietung des gefeierten Solisten ist einer der Höhepunkte im 24 Gigs umfassenden Programm des Festivals. Alle 15 Minuten beginnt in Kirche, Rathaus und Jugendzentrum ein neues Konzert. Das Spektrum reicht von Indie über kirchliche Musik bis zu Hardrock, Schlagern, Folk, Chansons, Klassik, Jazz und traditioneller chinesischer Musik. Schade, dass der Besucher bei dieser Fülle nur eine Auswahl miterleben kann. Jazzpianist Chris Gall etwa. Mit Eigenkompositionen, in denen er verschiedene Klangsprachen genial miteinander verschmilzt, mit Bearbeitungen von Werken Debussys sowie den rotierenden, an- und abschwellenden Akkorden im "Tagebuch eines Kreisverkehrs" fasziniert der Vaterstettener sein Publikum.

Längst ist es draußen dunkel. Es duftet nach exotischen Gewürzen, nach Kochbananen, Süßkartoffeln, Ingwer und Erdnüssen. Fackeln beleuchten den Weg zwischen Kirche und Rathaus, wo die Formation Dulcimore inmitten bunter afrikanischer Tücher und brennender Kerzen, mit denen das Foyer dekoriert ist, gerade den amerikanischen Song "Uncle Sams Farm - Tramp! Tramp! Tramp" zum Besten gibt. Dass sich ein weiteres Lied der Gruppe um einen "Donald" dreht, ist natürlich Zufall.

Die Band Arcana obscura zelebriert in nachtschwarzen Gewändern mystische Gesänge und Musik des Orients. (Foto: Christian Endt)

Spotlights in Grün und Blau tauchen derweil das Jugendzentrum in ein unwirkliches Licht, passend zum Titel der Band Arcana obscura, die in nachtschwarzen Gewändern mystische Gesänge und Musik des Orients, von harten Beats unterlegt, zelebriert. Ein kleines Mädchen tanzt selbstvergessen zu den fremdartigen, betörenden Stücken, denen vor allem junge Leute lauschen. Klassik, Jazz und Swing favorisieren dagegen die Jugendlichen vom Orchester des Gymnasiums Kirchseeon, das in der Kirche in Bigband-Besetzung unter großem Beifall konzertiert.

Schnell noch Bauch und Knochen wärmen mit einem der köstlichen Eintopfgerichte, schon wartet der nächste musikalische Höhepunkt: die Kontrabassistin und Hochschulprofessorin Christine Hoock mit einer Kollegin vom Salzburger Mozarteum, der Pianistin Mari Kato. Die Zuhörer lernen, dass ein Kontrabass nicht nur brummen, sondern so schön singen kann, dass man eine Gänsehaut bekommt. Die Musikerinnen, in Jazz und Klassik gleichermaßen virtuos und ideenreich, machen das Publikum mit dem unvermutet großen musikalischen Kosmos des Kontrabasses bekannt, spielen Stücke von Astor Piazolla, Max Bruchs herbsüßes Lied über ein jüdisches Gebet und eine meditativ schlichte Weise von Arvo Pärtt.

Höhepunkt: Solist Michael Leslieist am Flügel. (Foto: Christian Endt)

Den Klangbogen in Richtung Osten erweitern die Musiker der chinesischen Zupfinstrumentengruppe Jiyuetian aus München. In ihren rotseidenen Kostümen spielen sie Lieder, die in China jeder kennt. Sie handeln von "Blumen in einer Vollmondnacht" oder von der "Jasminblüte".

Und auch sie haben eine Aufgabe. Jede Gruppe muss vor Beginn des Konzerts einen Brief vorlesen, geschrieben von Jugendlichen aus Mbayan, die sich für die Förderung bedanken, von Fortschritten, Sorgen und Plänen berichten. Einer der Absender heißt Joseph. Er erkrankte an Malaria, so schreibt er, und konnte nicht in die Schule gehen. Nun bittet er: "Gebt mich nicht auf!" Seine Furcht ist unbegründet: Das Licht, das der Verein für Mbayan angezündet hat, leuchtet weit.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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