Forstinning:Schneise durch den Wald

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Nach einem Vorentwurf wird die Ortsumfahrung von Schwaberwegen doppelt so viel kosten wie erwartet. Eine zwei Meter hohe Wand soll die Häuser am westlichen Ortsrand vor dem Verkehrslärm schützen

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Es ist eines der größten Verkehrsprojekte östlich von München, das in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll: Am Mittwochabend hat die Gemeinde Forstinning den Vorentwurf für die seit Jahren umstrittene Ortsumfahrung von Schwaberwegen vorgestellt. Demnach soll die 2,5 Kilometer lange Strecke durch den Ebersberger Forst den Freistaat deutlich mehr kosten als erwartet. Inklusive Lärmschutzwand und Erschließung soll das Projekt 5,8 Millionen Euro kosten, also fast doppelt so viel, wie noch im Ausbauplan vor fünf Jahren geschätzt.

Die Umgehung durch den Forst soll die viel befahrene Straße durch Schwaberwegen entlasten, die praktisch alle Autofahrer nutzen, die aus Richtung München kommend nach Ebersberg fahren wollen und umgekehrt. In Schwaberwegen klagen die Anwohner der Strecke seit Jahren über die hohe Verkehrsbelastung. Vor allem den Lärm von durchfahrenden Lkw und die Gefahr für Kinder, die an der Straße wohnen, empfinden viele Einheimische als Zumutung.

Für die Trasse muss eine 21,5 Meter breite Schneise durch den Wald geschlagen werden

Alternativen wie etwa eine Untertunnelung oder eine Straße durch die Gemeindeteile, die einst zur Debatte standen, kommen damit nicht mehr in Frage. In den Plänen des staatlichen Straßenbauamts Rosenheim soll die Ausweichstrecke kurz nach der Autobahnausfahrt beginnen und im weiteren Verlauf im Abstand von 80 Metern westlich vom Schwaberwegener Ortsrand durch den Wald führen.

Die acht Meter breite Fahrbahn soll über einen ein Meter hohen Damm verlaufen. Mit Böschung und Kiesstreifen muss eine 21,5 Meter breite Schneise in den Wald geschlagen werden. Entlang des bewohnten Abschnitts ist eine 300 Meter lange und zwei Meter hohe Lärmschutzwand zum Schutz der Anwohner geplant.

In Forstinning ist die geplante Ortsumfahrung seit Jahren ein Streitthema, das wurde bei der hitzigen Debatte im Rupert-Mayer-Haus einmal mehr deutlich. "Die Autos fahren teilweise mit 70 durch den Ort", beschwert sich ein Zuschauer. Eine Mutter erzählt, dass sie ihre Kinder seit Jahren zur Bushaltestelle bringt. "Wenn der Schulbus kommt, laufen manche bei Rot über die Straße", sagt sie. Es sei ein Wunder, dass dabei noch kein Kind überfahren wurde. Vor zwei Jahren erfasste der Sog eines Lkw dort einen Radfahrer, der stürzte, überrollt wurde und zwei Monate später starb.

Es ist wie immer in solchen Fällen: Während die einen hoffen, das Verkehrschaos im Ort in den Griff zu bekommen, fürchten die anderen, dass man ihnen das Problem jetzt vor die Tür setzt. Die Gegner der Umgehung beschäftigt vor allem der Straßenlärm, der dann durch den Forst zu ihren Häusern durchdringt. Lastwagen dürfen auf der Umfahrung aller Wahrscheinlichkeit die Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde fahren, Pkw-Fahrer 100 km/h, so wie bei den meisten Umfahrungen.

Bei den Projektgegnern kam deshalb die Frage auf, ob man die Lärmschutzwand wegen der Lkw nicht doppelt so hoch bauen oder die Straße in eine Grube absenken könne, wie etwa bei der Zornedinger Umgehung. Kritik gab es auch daran, dass das Bauamt keine Brücken oder Unterführungen zur Überquerung der Straße geplant hat - und dass Fledermäuse und Kröten behindert werden.

Wegen des moosigen Untergrunds kann man die Straße nicht in einer tiefergelegten Wanne bauen

Benedikt Bauer, Straßenplaner beim Bauamt Rosenheim, mühte sich redlich, die etwa hundert Forstinninger davon zu überzeugen, dass sein Amt "bei der Planung sämtliche Aspekte berücksichtigt" habe - also sowohl die Kosten-Nutzen-Rechnung als auch Bau-, Naturschutz- und Lärmschutzrecht. Eine Absenkung sei wegen des moosigen Untergrunds naturschutzrechtlich nicht vertretbar. Zudem zitierte Bauer Studien, wonach bei Geschwindigkeiten über 60 km/h der Lärm der Reifen deutlich intensiver sei als der Fahrtwind oder die Motorengeräusche.

Sollte die Gemeinde dennoch eine höhere Lärmschutzwand bevorzugen, wäre dies theoretisch möglich. Dafür würde jedoch nicht der Freistaat aufkommen, Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU), der den Abend moderierte, müsste dann die Gemeindekasse mit den Mehrkosten strapazieren. Tipps könnte sich die Gemeinde bei Bedarf im 40 Kilometer entfernten Bad Aibling holen. Dort investierte die Gemeinde vor 20 Jahren mehrere Millionen D-Mark, um den gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutz noch zu optimieren.

Ob die Umfahrung realisiert werden kann, hängt jetzt von der Regierung von Oberbayern ab, dort wird der Vorentwurf überprüft. Mit einer Genehmigung der obersten Baubehörde käme es zu einem Planfeststellungsverfahren, in dem meist innerhalb eines Jahres mit Grundstücksbesitzern verhandelt wird und Details festgelegt werden, wie Fußgängerüberwege. Erst dann kann theoretisch mit dem Bauen begonnen werden. Allerdings nur, wenn niemand gegen das Projekt klagt, was den Baubeginn mindestens verzögern würde.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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