Forstinning:Club der toten Tiere

Lesezeit: 3 min

Das Forstinninger Tiermuseum ist schon seit langem geschlossen. Die Ausstellungsstücke aber gibt es noch.

Von Sara Kreuter (Text) und Peter Hinz Rosin (Fotos), Forstinning

Knapp tausend Tierpräparate hängen dicht an dicht in dem kalten, dunklen Raum. Ein Mönchsgeier schwebt hoheitsvoll über einem bedrohlich aufblickenden Tiger, ein Satyrtragopan-Fasan, eine Sturmschwalbe und ein Pinguin teilen sich eine Glasvitrine, ein neugeborenes Rehkitz liegt neben einem Frischling auf dem Flanellboden. Im Forstinninger Tiermuseum mischen sich Exoten unter heimische Tiere, natürliche Feinde liegen einträchtig beieinander - ein groteskes Abbild des paradiesischen Friedens. Doch die schaurige Eleganz der Präparate ist mit den Jahren verblichen. Den Augen der Öffentlichkeit verborgen, still und vergessen, vegetiert das Tiermuseum in Forstinning vor sich hin.

Das Tiermuseum war Traum und Lebensinhalt des Präparators Josef Manz. Auf rund 70 Quadratmetern Ausstellungsfläche sammelte er seit 1978 zahlenmäßig mehr Exponate an, als das Deutsche Jagdmuseum in München vorweisen kann. Viele Exponate hat Manz selbst präpariert, einige Tiere sogar selbst geschossen. Er besaß ein eigenes Präparierzimmer, einen Verkaufsraum, ganze Schulklassen kamen, um sich die Ausstellung anzusehen. Mit Leidenschaft konservierte Manz die Tiere in diesem Zustand kurz nach dem Tod, um sie der Nachwelt zu erhalten.

Halb Kunst, halb Wissenschaft. Doch als der Präparator im Jahr 2004 verstarb, bedeutete das auch das Ende des Museums. Seit Jahren versucht sein Sohn und Erbe, der 63-jährige Schreiner Josef Manz junior, die Sammlung zu verkaufen - bislang ohne Erfolg. Und so verfällt das Museum für Tierpräparate allmählich zu einem Friedhof für tote Tiere. Die Präparate wurden nicht mehr gereinigt, Besucher blieben aus, mittlerweile ist das Museum ganz geschlossen und die Familie bietet auch keine Privatführungen durch die Ausstellung mehr an.

"Tierpräparate sind aus der Mode gekommen", erklärt Manz. Unter anderem, weil "grün angehauchte" Personengruppen ein Problem mit toten Tieren hätten. Zu Lebzeiten seines Vaters sei das anders gewesen. Damals seien Präparate etwas besonderes gewesen. Das Präparat eines Uhus habe mal mehr gekostet als der lebendige Vogel in einer Tierhandlung.

Die Sammlung war einst eine VIertelmillion wert

Diese Ära ist vorbei. "Die Sammlung wird nie wieder den Wert haben, den sie mal hatte", sagt Manz resigniert. Zu Lebzeiten seines Vaters war sie eine Viertelmillion Euro wert. Mittlerweile wäre Manz froh, wenn er die Hälfte davon bekäme. Von irgendwem. Zurzeit stelle das Museum wegen der Heiz-, Versicherungs- und Wohnungskosten nichts als eine finanzielle Belastung dar, so Manz. Seine Frau habe bereits vorgeschlagen, die Präparate wegzuschmeißen, um den Raum als Wohnfläche zu vermieten. Das möchte er nicht, aber er hat auch kein alternatives Konzept.

"Man muss diese Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen", betont Günter Ettenhuber. Der Grafinger ist der dienstälteste Naturschutzwächter in Bayern und von dem Tiermuseum begeistert. Die Ausstellung berge ein enormes Potenzial, mit etwas didaktischer Aufbereitung könnte das Museum für Schulklassen wieder attraktiv werden. "Da hat das Landratsamt die einmalige Chance, eine Sammlung auszustellen, die in dieser Art einzigartig ist - aber nichts geschieht," bemängelt der Naturschutzwächter.

Vor Jahren schon gab es die Überlegung, die Ausstellung an das Waldmuseum in Ebersberg zu verkaufen. Doch wegen Geld- und Platzmangels wurde das Angebot zurückgezogen. Auch andere Möglichkeiten zerschlugen sich. "Zurzeit gibt es keine konkreten Pläne für das Museum", sagt Forstinnings Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU) ratlos. Das bestätigt auch Johann Taschner, Leiter der Naturschutzbehörde im Landkreis.

Seit Jahren habe er nichts mehr von dem Museum gehört. Jedoch gibt er zu bedenken, dass der Verkauf der Ausstellung eine "hochkomplizierte Angelegenheit" sei. Der Verkauf exotischer Tiere sei verboten, mit besonders geschützten Tieren dürfe kein Handel getrieben werden. Für den Verkauf der Ausstellung bräuchte die Familie Manz eine Genehmigung - ein weiteres Hindernis für das tote Museum, eine neue Heimat zu finden.

Wegen komplizierten Auflagen wie dieser, und weil Manz die Sammlung nur als Ganzes verkaufen will, ist seit dem Tod von Josef Manz senior nichts unternommen worden, um das Tiermuseum zu retten. Alle Parteien warten ab, während die Präparate weiter verfallen. Manz junior zuckt resigniert mit den Schultern. Das Präparieren war Beruf und Hobby seines Vaters.

Er selbst hat diese Leidenschaft nie geteilt. Und so ist mit seinem Vater auch viel Wissen um die einzelnen Präparate verloren gegangen. "Ich habe keinen blassen Schimmer, wo das hier zum Beispiel herkommt", sagt Manz und deutet auf ein Albino-Reh und sein Kitz, beide ganz in weiß, mit großen, roten Augen. Für ihn sind es nur zwei weitere vergessene Augenpaare unter Tausenden, die im Tiermuseum ins Leere starren und von niemandem mehr angesehen werden.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: