Forstinning:Auf dem Holzweg

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Ob die Schwaberwegener Umfahrung durch den Wald führen darf, ist in Forstinning umstritten. An diesem Dienstag muss der Gemeinderat entscheiden

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

5,8 Millionen Euro soll sie den Freistaat Bayern kosten, 2500 Meter lang und knapp 22 Meter breit sein. Herbert Maier, der eigentlich anders heißt, fährt die Strecke mit den Fingern auf einer Landkarte ab. Vogelgezwitscher, der Wind rauscht durchs Laub. Maier wollte hier seine Ruhe haben. Er zog raus aus München, rein in die Natur, an den Waldrand von Schwaberwegen, wo man den Wildschweinen beim Suhlen zuschauen kann. Und ausgerechnet hier soll jetzt diese Umgehungsstraße in den Wald geschlagen werden. "Wenn ich dass gewusst hätte ...", sagt er.

Zwischen Maiers Vorgarten und dem Stück, wo die Umgehungsstraße geplant ist, liegen zwar noch etwa 80 Meter Wald. Dennoch grause ihn die Vorstellung, dass hier eines der umstrittensten Verkehrsprojekte der Region entstehen soll. Den einen kann die Forstinninger Ortsumfahrung im nördlichen Landkreis Ebersberg nicht schnell genug kommen. Andere würden vieles dafür geben, um die Pläne des Staatlichen Bauamts Rosenheims zu verhindern. Zu ihnen zählt Maier. Er hofft, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag (19.30 Uhr) in der "Nachbetrachtung" des Vorentwurfs und dem "weiteren Vorgehen" das Projekt noch stoppt. Die Vorgeschichte spricht jedoch weniger dafür, dass die Pläne umgeschmissen werden.

In Forstinning ist die geplante Ortsumfahrung seit Jahren ein Streitthema. Die Gemeinde ist ein Verkehrsknotenpunkt, den praktisch alle Autofahrer nutzen, die zwischen München, der A 94 und Ebersberg pendeln. Zu den Stoßzeiten herrschen auf den Ortsdurchfahrten von Moos und Schwaberwegen, beides Gemeindeteile von Forstinning, Zustände wie auf einer Schnellstraße - nur dass Tempolimit 50 gilt und Schulkinder am Straßenrand auf den Bus warten. Die Anwohner klagen seit Jahren über den Lärm und über zu schnelle Auto- und Lastwagenfahrer. Vor zwei Jahren erfasste der Sog eines Lkw dort einen Radfahrer, der stürzte, überrollt wurde und zwei Monate später an den Folgen des Unfalls starb.

Wie sehr der Verkehr die Gemüter erhitzt, wurde zuletzt bei einer öffentlichen Debatte Mitte April deutlich. Die Gemeinde ist in mehrere Lager gespalten, die allesamt eigene Interessen verfolgen: Den einen geht es darum, den Verkehr aus der Ortsmitte zu verlagern. Zu ihnen zählen vor allem jene, die in Schwaberwegen und Moos in der Nähe der Hauptstraße wohnen. Zum zweiten Lager gehören Dorfbewohner wie Maier, die ihr Zuhause am Waldrand haben. Vom Verkehrschaos an der Hauptstraße bekommt man in Maiers Garten nichts mit, die Idylle am Waldrand ist durch nichts gestört, bisher zumindest.

Bei Umgehungsstraßen steht oft der Vorwurf des Sankt-Florian-Prinzips im Raum: "Verschon' mein Haus / Zünd' and're an!". Eine Lösung, bei der alle zufrieden sind, wurde im Münchner Speckgürtel selten gefunden, zu dicht ist das Umland der Landeshauptstadt mittlerweile besiedelt. Schwaberwegen ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht nur der Verkehr zugenommen hat, sondern auch die Einwohnerzahl der Gemeinden. Auf den Karten des Bayernatlas' ist der mittlerweile knapp tausend Einwohner fassende Ortsteil in den 1970er-Jahren noch ein Landstrich mit vereinzelten Bauernhäusern. Seither haben im Neubaugebiet Schwaberwegen viele Zugezogene für gutes Geld ein ruhiges Plätzchen mit Baugenehmigung gefunden. Wie fast überall in der Region sind Baugebiete rarer und teurer geworden. Der Verkehr hat zugenommen, und die Forderungen nach Umgehungsstraßen sind lauter geworden.

In seiner Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2009 präsentiert das Staatliche Bauamt Rosenheim vier Varianten einer Umfahrung für Schwaberwegen. Der Forstinninger Gemeinderat einigte sich schließlich auf die Variante "6a" und lehnte zwei mögliche Szenarien ab, wonach die Trasse zwischen den Ortsteilen Schwaberwegen und Forstinning durchführen soll - entweder ober- oder unterirdisch. Hätte sich der Gemeinderat für Variante 6b oder 6d entschieden, wären Zwangsenteignungen von Landbesitzern der Flurstücke zwischen den Ortsteilen Schwaberwegen und Forstinning im Raum gestanden, ähnlich wie in Grafing, wo jüngst trotz protestierender Landwirte nach langjährigem Ringen der Bau einer Umfahrung erwirkt wurde.

Bei dem Waldstück im Forst gibt es dieses Problem nicht, es gehört dem Freistaat bereits. Heinz Utschig, Leiter der bayerischen Staatsforsten, die das Waldstück verwalten, teilt mit, dass "uns auch lieber wäre, wenn der Forst verschont bleibt". Es gebe etwa kaum ein Waldstück im Ebersberger Forst, wo es Eichen mit so hohem Alter gebe. Ähnliches gibt das Rosenheimer Bauamt an. In dessen 2009er-Studie heißt es, dass die geplante Variante durch den Wald den Ort verkehrstechnisch zwar "effektiv" entlaste, die Schneise weise allerdings "hohes naturschutzrechtliches Konfliktpotenzial" auf.

Neben dem Naturschutz spielt bei Neubauprojekten jedoch stets der Kostennutzungsplan eine Rolle, auch vor sieben Jahren, als das Bauamt seine Machbarkeitsstudie präsentierte. Darin heißt es, dass ein Tunnel zwischen Schwaberwegen und Forstinning die Gemeinde "sehr effektiv" entlaste, jedoch "mit hohen Kosten" verbunden sei.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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