Filmvorführung statt Unterricht:Eine eritreisch-bayerische Geschichte

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Regisseurin Louisa Wagener (l.) und Produzentin Saskia Hahn berichten von den Dreharbeiten. Besonders erstaunt sind die Kinder, dass die Schauspieler sich auf dem Fußballplatz doubeln lassen mussten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Erstmals wird der Kurzfilm "In our country" in der Grafen-von-Sempt Mittelschule in Markt Schwaben präsentiert. Regisseurin Louisa Wagener und Produzentin Saskia Hahn erzählen über die Hintergründe und die Dreharbeiten

Von Sandra Langmann, Markt Schwaben

Es bringt immer etwas Spannung und Aufregung mit sich, wenn ein Film in der Schule gezeigt wird. Die Schüler schieben die Tische beiseite, rücken die Stühle vor den Beamer und nehmen artig darauf Platz, bis es los geht. Aufpassen lautet die Devise, vor allem, wenn es um ein so wichtiges und aktuelles Thema geht. "In our country" nennt sich der dreißigminütige Kurzfilm, der die Geschichte eines eritreischen Flüchtlings erzählt. Regisseurin Louisa Wagener und Produzentin Saskia Hahn haben diesen als Abschlussarbeit an der Hochschule Macromedia in München gedreht und erstmals auf den 50. Internationalen Hofer Filmtagen präsentiert.

Mit dem Film im Gepäck sind sie nun in den Schulen im Landkreis unterwegs. Den Auftakt macht die Grafen-von-Sempt-Mittelschule in Markt Schwaben. Damit soll einerseits ein junges Publikum erreicht werden und andererseits der Umgang mit Flüchtlingen dargestellt werden. Den Kindern solle veranschaulicht werden, dass man den Flüchtlingen nicht nur positiv oder negativ gegenüber stehe, sondern dass sich einige einfach verunsichert fühlten, erzählt Wagener, die als Regisseurin unterschiedliche Charaktere darstellt.

"Vor allem sollte es authentisch wirken", sagt die Regisseurin. Sie hat für die Hauptrolle Alexes Feelmo engagiert, der als Siebenjähriger selbst nach Deutschland geflüchtet ist. "Da er schon lange in Deutschland lebt, musste ich ihn öfter ermahnen, schlechter Deutsch zu sprechen", so Wagener. Als 19-jähriger Tekle flüchtet er in "In our country" gemeinsam mit seinem Bruder aus Eritrea. Der beschwerliche Weg führt sie durch die Wüste Libyens, doch aufgrund einer schweren Krankheit überlebt der Bruder den langen Weg nicht. Umso schwerer fällt es Tekle, in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Der Traum seines Bruders war es, Profifußballer zu werden. So hat sich Tekle zum Ziel gesetzt, der nächste Boateng zu werden. Dafür tritt er dem Ebersberger Fußballverein bei und freundet sich mit dem 17-jährigen Anton an, von dessen Clique er zunächst abgelehnt wird. Trotz mangelnden Fußballtalents möchte Tekle nicht aufgeben, auch wenn dafür seine Zukunft auf dem Spiel steht.

Louisa Wagener besuchte einen Deutschkurs für Flüchtlinge und kam dabei mit vielen Menschen ins Gespräch, die ihr ihre Geschichten erzählten. "In our country" beruht auf wahren Erzählungen, die unter die Haut gehen. Am Set hat man sich auch alle Mühe gegeben, die Szenen so real wie möglich wirken zu lassen. An einem der 13 Drehtage reiste das Filmteam nach Fuerteventura, um die Flucht durch die Wüste darzustellen. Die meiste Zeit verbrachten sie allerdings in Ebersberg am Aussichtsturm und am Sportplatz, wo sich viele Szenen abspielen. Ebersberg eigne sich als Drehort fantastisch. "Die Leute sind offen und durch den bairischen Dialekt konnten wir das ernste Thema etwas auflockern", sagt Wagener. Als gebürtige Ebersbergerin habe sie gerne dort gedreht.

Neben Tekles Flucht dominiert im Film ganz klar der Fußball. Als Louisa Wagener aber den Schülern erklärt, dass kein einziger Schauspieler Fußball spielen konnte, sind die Kinder regelrecht schockiert. Bei einem Probetraining hatte man sich laut Wagener dafür entschieden, lieber die Ebersberger Fußballer spielen zu lassen. "Aber der Nick spielte doch bei den ,Wilden Kerlen' mit", kann es ein Mädchen kaum glauben, die Nick Romeo Reimann im Film wiedererkannt hat.

Wagener und Hahn ist es gelungen, weitere prominente Besetzung für ihren Film zu begeistern. "Da musste man schon das eine oder andere Hintertürchen nutzen", sagt Wagener und lächelt. Obwohl die jungen Frauen vom BR und auch der Stadt Ebersberg unterstützt wurden, hatten sie nur wenig Budget zur Verfügung. Zu wenig, wie die Agenturen verlauten ließen. Da konnte die Friseurin von Louisa Wagener weiterhelfen, die den Schauspieler Michael Altinger kannte. "Er hat das Drehbuch gelesen und verraten, dass er schon immer den Ebersberger Fußballtrainer spielen wollte", freut sich Wagener. Doch das ist bei weitem nicht das Einzige, das die Kinder zum Film anmerken. Sie stellen viele Fragen bezüglich der Entstehung des Films, zu den Protagonisten und der Arbeit hinter der Kamera. Geduldig beantworteten die beiden Frauen alle Fragen zum Film, der einem Schüler aus der Übergangsklasse viel zu kurz vorkam. Diese Klasse besucht auch ein junger Mann, der aus Syrien flüchtete. Es ist kaum zu glauben, was er in seinem jungen Leben mitmachen musste. Es klingt so ähnlich wie die Flucht von Tekle. Seine Geschichte soll im März im BR gezeigt werden.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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