Egmating:Duftende Wildnis

Lesezeit: 3 min

Maria Theresia Riedl hat in ihrem Garten in Lindach mehr als 200 Rosensorten versammelt

Von Barbara Mooser, Egmating

In diesen Tagen fände man den Garten von Maria Theresia Riedl auch mit geschlossenen Augen. Schon von weitem erkennt man den zarten Rosenduft, der sich in die herrlichen Sommergerüche nach frisch gemähtem Gras und Lindenblüten mischt. Doch es wäre zu schade, die Augen nicht weit aufzumachen, wenn man das kleine Paradies am Rande des Dörfchens Lindach betritt: Üppige Heckenrosen begleiten den Weg zum hinteren Teil des Gartens, über den versteckten Sitzplatz auf der Terrasse hinter dem Haus rankt die zartrosa Hero. "Alexandre Girault" hat mit seinen kräftigen pinken Blüten den Apfelbaum erobert, "Paul's Himalayan Musk" lässt den alten Zwetschgenbaum, der schon lange keine Früchte mehr trägt, aussehen, als stünde er in voller Blüte.

Wo früher Kartoffeln und gelbe Rüben wuchsen, leuchten jetzt die dunklen, purpurroten Blüten der alten Gallicarose "Tuscany". "Die liebe ich sehr", sagt Maria Theresia Riedl und zupft vorsichtig ein paar Blütenblätter ab. 200 verschiedene Rosensorten hat sie in ihrem knapp 2000 Quadratmeter großen Garten versammelt, vielleicht sind es auch schon 300 - so genau hat sie das nie gezählt. Jedenfalls sind es genug, damit sich Gartenbauvereine darum reißen, einmal vorbeischauen zu dürfen - und längst ist die 57-Jährige bayernweit zur Rosenexpertin avanciert.

Momentan etwa hat sie den Auftrag, die Rosen auf der berühmten Roseninsel im Starnberger See wieder richtig zu kategorisieren. Im Laufe der Jahrzehnte sind hier die Täfelchen mit den Namen der Rosen etwas durcheinandergekommen, niemand weiß mehr, ob die Schönheiten wirklich so heißen, wie die Schilder es behaupten. Hier wieder Ordnung hineinzubringen, ist gar nicht so einfach: Im Frühsommer hat sich Maria Theresia Riedl die Knospen angeschaut, später wird sie noch überprüfen, ob die Rosen Hagebutten bilden oder vielleicht im Herbst noch einmal blühen - all das ist wichtig, um bei der Kategorisierung keine Fehler zu machen.

Dabei winkt die Frau, die mit ihrer zartrosa Bluse und dem kleinen Emailleröschen an ihrer Perlenkette perfekt in ihren Garten passt, bescheiden ab, wenn man ihr Wissen bewundert. "Ich bin keine Gärtnerin, ich bin Rosenliebhaberin", sagt sie, "und auch mir gelingt nicht alles."

Angefangen hat die Leidenschaft für die Rosen aber eigentlich gar nicht mit der Pflanze selbst, vielmehr mit deren zartem Duft. In ihrer Ausbildung zur Heilpraktikerin lernte Maria Theresia Riedl die heilkräftigen Wirkungen des Rosenöls kennen. "Die Rose wirkt harmonisierend, ausgleichend, entspannend - und öffnet das Herz", sagt die 57-Jährige. Früher wurden Mittel für die Heilung von Leber und Galle aus der Rose gewonnen, im Mittelalter gab es sogar 170 Extrakte aus dieser Pflanze, wie Riedl erzählt. Die Rose soll aber auch bei Übergangsprozessen helfen; als Riedl ihre erste Tochter bekam, nutzte sie Rosenöl für Massagen, zur Raumbeduftung oder als Kräuterkissen für das Baby. Wenig später bezog die Familie das Haus der Schwiegereltern in Lindach - und über die Jahre wurde aus dem alten Obstgarten ein Rosengarten, in dem vor allem viele alte und englische Rosensorgen blühen und auch Besonderheiten wie etwa die "Chapeau de Napoleon", die ihren Namen der ungewöhnlichen Knospenform verdankt, die an den Dreispitzhut des berühmten französischen Feldherrn erinnert.

Ihr Wissen über Rosen hat sich Riedl selbst angeeignet, in Seminaren, bei Besuchen in Rosenschulen und über die Literatur. "Wenn man etwas liebt, will man alles darüber wissen", sagt sie. Inzwischen weiß sie eine ganze Menge - welches Röschen ausnahmsweise sandigen Boden bevorzugt, wie man Mehltau und Sternrußtau ohne chemische Mittel bekämpft und welcher Dünger gut anschlägt. Mit Bananenschalen und Kaffeesatz hat sie da schon gute Erfahrungen gemacht, momentan erprobt sie in Wasser aufgelöste Hefewürfel. "Das hat mir eine Freundin empfohlen", sagt sie. Hornspäne arbeitet sie schon um Lichtmess herum in den Boden ein, dann beginnt die Arbeit in ihrem Garten und nimmt im Laufe der Monate immer mehr Zeit in Anspruch. Zur Blütezeit hat Maria Theresia Riedl schon täglich mehr als drei Stunden mit ihren Rosen zu tun.

Dabei hat ihr Garten nichts gemeinsam mit den sorgfältig manikürten berühmten Rosengärten etwa in England. "Ich versuche, eine gepflegte Wildnis entstehen zu lassen", sagt sie. Im alten Obstgarten bleiben auch mal Teile der Wiese ungemäht, zwischen ihre Rosen pflanzt Maria Theresia Riedl gern Heilkräuter wie Johanniskraut, Eibisch, Goldrute, Salbei oder Frauenmantel; auch Beerensträucher finden in ihren Garten noch Platz. Genau wie die Kräuter sieht Riedl auch ihre Rosen als Nutzpflanzen. Deshalb hat sie auch kein Problem damit, die anmutigste Blüte zu ernten, um aus den Blütenblättchen Rosenöl zu destillieren oder Köstlichkeiten wie ihren Rosenapfelsaft oder ihren Rosenlikör daraus zu machen. Über die vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten der Rose hat Riedl schon ein Buch geschrieben, ihr Wissen gibt sie auch in vielen Vorträgen in ganz Bayern weiter, auch einen kleinen Online-Shop für Rosenprodukte betreibt sie - mit dem schönen Namen "Im Rosenbusch".

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: