Ebersberg:Zwischen Bier und Bällen

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Der Wirt Kiri Georgiadis betreibt in Zorneding die Taverna Marathon. Was Gäste und Umsatz betrifft, ist der Name Programm. Der 55-Jährige braucht einen langen Atem

Von Victor Sattler

Kiriakos Georgiadis bewirtet in seiner "Taverna Marathon" die Zornedinger Sportler. (Foto: Christian Endt)

Ende vorigen Jahres musste das Wirtshaus am Waldsportpark in Ebersberg schließen. Am Konzept lag es nicht, die Gäste waren voll des Lobes, doch es waren zu wenige. Auch andernorts tun sich Gemeinden schwer, Pächter für ihre Sportgaststätten zu finden. In Vaterstetten suchte man 2016 nach einem neuen Wirt, auch in Markt Schwaben wechselten bislang die Pächter des Gasthauses am Stadion öfter als der FC Falke die Liga. Und auch in Poing wurde lange gesucht, bis man einen Pächter für die "Einkehr" am Stadion fand, der sich mit Gästen und Sportlern gleichermaßen versteht. Was aber macht Sportgaststätten zu so besonderen Biotopen zwischen Bier und Bällen? Die SZ hat sich umgehört.

"Die Leute sind hier anders",sagt Kiriakos Georgiadis, "das hat mit einem normalen Gasthaus nichts zutun!" Für Georgiadis stellte die Eröffnung seiner Sportgaststätte Taverna Marathon in Zorneding einen echten Kulturschock dar: Immerhin bewirtete Georgiadis davor Gäste unmittelbar am Viktualienmarkt. Dann kam das Jahr 2008, für die gesamtdeutsche Wirtschaft und so auch für einige Gastronome war es ein Schlag in die Magengrube. Georgiadis wagte den Neuanfang in Zorneding, wo der gesellige 55-Jährige mit seinen Gästen per Du sein kann.

Es ist Samstagabend und die C-Senioren des TSV Zorneding trudeln in der Taverna Marathon zu einer Feier ein. À la carte kann er ihnen mit einem einzelnen Koch aus logistischen Gründen nicht bieten, aber dafür dampft ein liebevoll konzipiertes Buffet drüben im Speiseraum, den Georgiadis bewusst vom Bistro abgegrenzt hat. Spanische Wände, die griechische Küste zeigen - hat er hier hineingesetzt. Vor dieser Zweiteilung des Raumes "sah es ja wie in einer Bahnhofshalle aus", meint er. Nun ist es aber gemütlich, auch dank der vielen Leuchtkugeln und Modellschiffe, mit denen alles ausstaffiert ist.

40 TSV-ler hatten sich angekündigt. Am Tag selbst, um fünf Uhr nachmittags, wird die Gästezahl telefonisch auf 24 Personen reduziert. Jedes Jahr kommen weniger Reservierungen vom Verein, aber Georgiadis hat größtes Verständnis dafür, denn auch um die Vereinskassen sei es nicht besser bestellt, vieles müssten die Sportler heute selbst bezahlen. Aber wenn sie sich mal so einen Abend leisten, dann immer "beim Kiri", wie Georgiadis von allen genannt wird, "Kiri wie der Käse, das muss ein Begriff sein", erklärt er. Kiri, da ist ein Synonym für einen netten Abend, für unkompliziertes Fußball-Schauen. Damit hat sich Kiri eine kleine Marke aufgebaut.

Auch der Name des Gasthauses, Taverna Marathon ist hier Programm: Georgiadis hat sich den Sportsgeist, den manche Wirte von ihrem Betrieb abzustreifen versuchen, bewusst als Rahmen genommen und mit Fanartikeln gemütlich untermalt. Griechenland, Sinnbild Olympialand - was kann es denn einladenderes geben? Das einzige Problem ist: In der Urlegende des Marathonlaufs ist dem Boten Pheidippides, der etwa 40 Kilometer nach Athen laufen musste, seine Erschöpfung gehörig zum Verhängnis geworden. Auch Kiriakos Georgiadis befindet sich seit achteinhalb Jahren im Ausdauerlauf. Er verlädt Kisten, er putzt Böden und Toiletten, er kauft ein, hilft dem Koch, serviert, sperrt auf und zu, er spielt auf jeder Position. Die Füße würden ihm immer schwerer, sagt er, "aber ohne diese zusätzlichen Eigenleistungen ginge das hier gar nicht! Ich kann es mir nicht leisten, am Abend groß den Wirt zu spielen. Denn die guten Tage sind weniger geworden". Georgiadis steht verlässlich in der Taverne, aber er weiß nie, was ihn dort erwartet. Nach einem Tag mit 30 Hauptgerichten können es am nächsten plötzlich nur noch fünf sein. "Wenn es nur einen Abend voll ist, meinen die Leute gleich, das wäre jeden Abend so!", seufzt er.

Stammgast Franz Oeckl vom TSV Zorneding gibt sich über einem Weißbier der Ursachenforschung hin: "Das Problem ist, früher bist du nach dem Spiel in die Sportgaststätte gegangen und dann auch nirgends anders mehr hin. Heute haben die jungen Leute aber andere Interessen, die gehen eher in Clubs." An dieser Stelle ist es wichtig, zu vermerken, dass die Taverne mit der Zeit gegangen ist. Auf einer roten Postkarte steht: "Ausländer, lasst uns mit den Deutschen nicht allein!" In Klarsicht-Tresoren kann man Handys jedes Typs aufladen. Georgiadis klopft seinem Freund auf den Oberarm: "Der Oeckl hier hat mich von Anfang an unterstützt, er ist einer der wenigen, die noch regelmäßig vorbeischauen. "Heute geht es aus der Umkleide nach Hause und dann vergnügen die sich ganz woanders." Zorneding, so die Analyse, sei zu einem Schlafort verkommen.

Am Tresen kann "Kiri" mit jedem, das ist Teil vom Job: "Als Gastwirt musst du bei allen Macken mitspielen", sagt er, "wenn einer mir sagt, der Esel fliegt, dann fliegt er auch! Dann glaube ich ihm das." Kiriakos Georgiadis kann von einem frechen Witz unter Sauburschen nahtlos in eine nüchterne Analyse seines Geschäfts und zurück in eine Begrüßung wechseln: "Guten Abend, der Herr, was kann ich für Sie tun?" Als Wirt bräuchte man immer zwei oder mehr Masken, nicht um sich selbst, sondern um den Gast zu schützen. "Du lächelst, auch wenn du Probleme hast, auch wenn du krank bist. Und du brauchst eine große Klappe, um das alles wegzustecken."

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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