Ebersberg:Zwischen Acker und Discounter

Lesezeit: 3 min

Gudrun Schweisfurth, Franz Lenz, Christian Dürnberger, Johannes Wachinger und Claudia Pfrang sprechen über Herausforderungen der Landwirtschaft. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei einer Podiumsdiskussion geht es um die Probleme der Landwirtschaft - und wie diese gelöst werden könnten

Von Michael Haas, Ebersberg

Landwirte haben es nicht leicht im 21. Jahrhundert. Sie sollen nicht mehr nur Nahrungsmittel produzieren, sondern dabei auch immer pfleglicher mit Natur und Umwelt umgehen und beim Beantragen von Subventionen fundierte betriebswissenschaftliche Kenntnisse beweisen - so sehen sie es zumindest. Gleichzeitig sinken die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse immer weiter, nach Angaben des statistischen Bundesamts allein um 11,6 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. Hinzu kommt ein Phänomen, das der Wissenschaftler Christian Dürnberger eine "Romantisierung der Landwirtschaft" nennt: "Das bäuerliche Leben steht bei vielen Menschen noch für einfaches, ursprüngliches Leben." Dass Landwirt inzwischen ein Ausbildungs- und Studienberuf sei, in dem viel Technik eingesetzt wird, sei selten Thema in Werbung und Medien - und damit auch in der Gesellschaft, sagt der Forscher des Münchner Instituts Technik-Theologie-Naturwissenschaften. Genug Stoff also für die Podiumsrunde über die künftigen Erwartungen an die Landwirtschaft, auf die er mit seinem Vortrag hinführt. Vor nur wenigen Zuhörern wird es eine vielschichte Diskussion und ein gelungener Auftakt für die neue Reihe "Gesellschaft im Blick" des Katholischen Kreisbildungswerks.

Einig sind sich die Teilnehmer vor allem darin, dass sich Landwirtschaft und Verbraucher entfremdet haben. Gudrun Schweisfurth von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten hat das ebenso festgestellt wie der Biobauer Johannes Wachinger. Viele Besucher ihres Betriebs wüssten nur mehr wenig über die Landwirtschaft, erzählt sie, schon der Anblick eines Schlachthauses auf dem Hof irritiere. Das billige Hähnchen in der Tiefkühltruhe eines Discounters werde eben einfach nicht mehr mit der Landwirtschaft in Verbindung gebracht, sagt Schweisfurth. Sie wünscht sich, dass die Verbraucher wieder Zusammenhänge herstellen. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Franz Lenz, hat zudem fehlendes Vertrauen in die Fähigkeiten der Landwirte festgestellt. "Das Verrückte ist: Wenn es warm wird, kommen die ersten Anrufe, dass es den Kühen zu heiß sei auf dem Feld. Wenn es regnet, heißt's: Die werden ja nass", sagt Lenz.

Schuld daran, da sind sich die Podiumsgäste ebenfalls einig, hat auch die Landwirtschaft selbst. "Nach dem Kriegsende war es wichtig, möglichst schnell und effizient Lebensmittel herzubringen", sagt Lenz. In den Jahren danach habe man aber den Umstieg hin zu einer ökologischeren Arbeitsweise verpasst und so in der Bevölkerung Vertrauen verloren. Schweisfurth stimmt zu. Die Landwirtschaft habe ein Imageproblem erzählt sie. "Der Bauer ist irgendwie uncool." Die gestiegenen Erwartungen führt sie ebenfalls auf die Industrialisierung der Landwirtschaft zurück, die ethische Probleme mit sich gebracht habe. "Die Landwirtschaft hat eine Grenze überschritten", sagt Schweisfurth.

Supermärkte und Discounter sorgen zudem dafür, dass nur noch wenige Menschen ins Gespräch mit den Landwirten kommen und umgekehrt. "Der Kontakt ist schwierig, solange man nicht direkt verkauft. Und deswegen haben wir auch die Diskussionen", sagt Biobauer Wachinger. Lenz, der seine Produkte direkt vermarktet, stimmt zu: "Die Direktvermarkter sind das letzte Bindeglied zwischen der Landwirtschaft und dem Verbraucher." Diese Verbindung müsse man unbedingt erhalten, sonst drohe den Bauern weiteres Ungemach. Die hohen Subventionen in die Landwirtschaft müssen politisch legitimiert werden, andernfalls könnten Rufe nach einer Senkung oder Abschaffung laut werden. "Diese Ausgleichszahlungen brauchen wir massiv", sagt Lenz.

Die große Frage also lautet: Wie kann das gegenseitige Verständnis zwischen Verbrauchern und Landwirten gefördert werden? Kinder auf die Höfe zu bringen und besondere Aktionen organisieren hilft zwar, macht aber viel Arbeit. "Ich habe nicht den Anspruch, dass das jeder landwirtschaftliche Betrieb macht", erklärt Lenz deshalb. Es genüge, wenn einige Bauernhöfe ihre Pforten für Besucher öffneten. Er selbst hat sich inzwischen zudem abgewöhnt, solche Führungen umsonst zu machen. Er spende das Geld, sagt Lenz. Die Leute sollten einfach sehen, dass er diese Führungen nicht in seiner Freizeit mache.

Wissenschaftler Dürnberger bringt daraufhin eine weitere, deutlich weniger aufwendige Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit ins Gespräch: Die sozialen Medien. "Ein Foto machen und hochladen ist kein Aufwand", sagt er. Das Internet biete Landwirten neue Möglichkeiten, sich und ihre Arbeit zu präsentieren. Lenz antwortet, er überlege schon seit zwei Jahren, eine Webcam in seinem Stall aufzuhängen. "Das wird sogar vom Bauernverband gefördert."

Doch bei allem Klagen über das schlechte Verhältnis zwischen Verbrauchern und Landwirten, es gibt auch positive Erfahrungen: Lenz etwa hat vor drei Jahren einen neuen Kuhstall errichtet - das Geld dafür kam zum Teil von Verbrauchern, die sich über Genussscheine am Hof beteiligten und dafür nun Zinsen oder Lebensmittel bekommen. In regelmäßigen Newslettern informiert er sie über das Geschehen am Hof. "Das kommt gut an", sagt Lenz.

Und auch in Herrmannsdorf sind die Verbraucher inzwischen beteiligt. Für ein Hühnerprojekt stellten sie 250 000 Euro als Darlehen zur Verfügung. "Ich spüre eine Aufbruchsstimmung", sagt Schweisfurth deutlich optimistischer als ihre Kollegen. Es baue sie auf, dass sich eben doch noch Menschen finden ließen, die sich für die Landwirtschaft interessieren.

Auch deshalb plädiert Lenz gegen Ende für ein neues Selbstbewusstsein der Landwirtschaft. "Wir sind nicht die da unten. Wir sind was, wir können was!", ruft er den Besuchern zu. Gleichzeitig müssen die Landwirte seiner Meinung nach auf gesellschaftliche Anforderungen eingehen und mit den Verbrauchern reden. Die müssten dann aber halt auch bereit sein, gemäß ihrer eigenen Anforderungen zu handeln - und auch mal das teurere Produkt kaufen.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: