Ebersberg:Wenn nur noch der Pfarrer die Pforte öffnet

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Kirchenasyl ist umstritten - dennoch steigt die Zahl an Flüchtlingen, die im Landkreis Ebersberg davon profitieren

Von Sara Kreuter, Ebersberg

Relikt aus vergangenen Zeiten oder wichtiges Schutzinstrument vor staatlichen Fehltritten? Kirchenasyl wird immer wieder kontrovers diskutiert. Der Staat duldet es in Maßen, die Kirche schützt es als hohes Gut. In diesem Spannungsfeld sprechen Verantwortliche nur verhalten darüber, auch im Landkreis Ebersberg. Dort nutzten im vergangenen Jahr laut Landratsamt etwa ein Dutzend Flüchtlinge Kirchenasyl. Die Tendenz, zumindest das ist sicher, ist steigend. Auch bayern- und bundesweit nehmen die Fälle nach Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft zu.

Laut Angaben des Landratsamts setzten im Jahr 2016 zwölf bis 15 - im Vorjahr zehn bis zwölf - in Ebersberg registrierte Flüchtlinge ihre Hoffnung in den Schutz der Kirche. Einige von ihnen wurden im Landkreis selbst aufgenommen, die anderen nahmen in verschiedenen Kirchengemeinden anderswo in Bayern Zuflucht. In sämtlichen Fällen handelte es sich dabei um Flüchtlinge, die zuvor in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt hatten, bei denen also gemäß der Dublin-III-Verordnung die Abschiebung in diesen EU-Staat angeordnet worden war.

Weil sich die Kirchen bei ihrem Asyl über staatliche Beschlüsse hinwegsetzen, ist es wenig verwunderlich, dass das Schutzinstrument sehr unterschiedlich bewertet wird. Die bayerische Regierung gibt vor, das Kirchenasyl mit Rücksicht auf die besondere Stellung der Kirchen im Staat zu dulden, solange diese von dem Privileg mit großer Zurückhaltung Gebrauch machen. Denn eigentlich, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei verschiedenen Gelegenheiten, finde Kirchenasyl im geltenden Recht keine Grundlage.

Und auch "keine Notwendigkeit", findet Martin Thurnhuber, im Ebersberger Landratsamt zuständig für die Aufenthaltsbeendigung und damit auch für Kirchenasyl. Dieses wird dort sehr kritisch gesehen, gerade weil es "oft missbraucht" werde, so Thurnhuber. Noch kritischer sieht es der Vaterstettener AfD/FBU-Gemeinderat Manfred Schmidt. Er bezeichnet Kirchenasyl als "verfassungswidrig". In einem offenen Brief an Staatsminister Herrmann und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fordert er, dem "Spuk von Kirchenasyl energisch, auch durch Polizeieinsatz Einhalt zu gebieten". Eine Antwort hat Schmidt bisher nicht erhalten.

Einen anderen Blick auf die Thematik hat Kreisdekan und Ebersberger Stadtpfarrer Josef Riedl. Für ihn ist es ein "juristischer Grenzbereich". Die Kirche dürfe nicht fahrlässig mit ihren Privilegien umgehen, doch in wohlbegründeten Fällen will Riedl die Möglichkeit des Kirchenasyls nicht ausschließen. Als durchaus positiv bewertet eine Kirche aus dem Landkreis Ebersberg ihre Erfahrungen. Im Zeichen der Nächstenliebe und des Schutzes des Einzelnen habe man sich entschieden, einem Flüchtling sechs Monate lang Zuflucht auf dem Kirchengelände zu gewähren. "Es war ein Balanceakt", berichtet der Pfarrer der betreffenden Gemeinde, die Identität von Ort und Pfarrer soll zum Selbstschutz geheim bleiben. Es sei ein Balanceakt mit den Behörden, aber auch im Kirchenvorstand und im Dialog mit einzelnen Gemeindegliedern, so der Pfarrer, eben ein schwieriges Thema. Aufgrund seiner Erfahrungen, sagt er, halte er Kirchenasyl aber in manchen Fällen "für eine wesentliche Einrichtung zum Schutze des Menschen".

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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