Ebersberg:Virtuoser Nachklang

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Bestechend intensives Spiel: die deutsch-indische Pianistin Sheila Arnold beim Klavierzyklus. (Foto: Christian Endt)

Pianistin Sheila Arnold beim Ebersberger Klavierzyklus

Von Peter Kees, Ebersberg

Tōru Takemitsu ist ein Name, den wahrscheinlich nur wenige kennen. Vergangenen Sonntag konnten die Konzertbesucher des Ebersberger Klavierzyklus Bekanntschaft mit dem japanischen Komponisten machen. Takemitsu ist 1930 in Tokio geboren und gilt ob seiner Klangexperimente als "Komponist der Langsamkeit". Sein Œuvre reicht von Orchestermusik über Kammermusik bis hin zu Kompositionen für Soloinstrumente, darunter auch Werke für Klavier. Die in Südindien geborene und in Deutschland aufgewachsene Pianistin Sheila Arnold trug in ihrem Rezital im Alten Kino unter anderem Miniaturen für Klavier solo des 1996 gestorbenen Japaners vor.

Dies mit einem gekonnten dramaturgischen Kniff: Sheila Arnold verwob Takemitsus "Uninterrupted Rest" aus den Jahren 1952 und 1959, sowie sein Werk "Piano Distance" aus dem Jahre 1961 mit Préludes von Claude Debussy (Livre I und II von 1909 bis 1912). Das ergibt schon alleine deshalb Sinn, weil Takemitsus Musik eine gewisse Nähe zum Impressionismus hat, als dessen Begründer Debussy gilt. Tatsächlich sind Takemitsus Miniaturen klang- und farbenreich, spielerisch und klingen wie flüchtig skizzierte Momente.

Diese musikalischen Impressionen zielen aber noch auf etwas anderes, wie die Pianistin ihrem Publikum erzählte: Es geht um das, was zwischen den Tönen passiert, um den Nachklang. Flugs schlägt Arnold einen Ton an und erklärt dem Publikum: "Alles, was Sie jetzt hören, gehört dazu". Der Ton hält, wird leiser, man nimmt auch anderes wahr. Konsequent hat dies 1952 Johan Cage in seinem Musikstück 4′33″ auf die Spitze getrieben: In der Partitur heißt es nur "tacet" (er/sie/es schweigt), während des ganzen Stückes wird kein einziger Ton angeschlagen. So weit geht Takemitsu nicht, doch kommt man nicht umhin, zumindest eine geistige Verbindung zu erahnen, ist doch beides Anfang der 50er Jahre entstanden. Takemitsu lässt Töne stehen, Akkordfolgen ausklingen. Tatsächlich, der Nachklang ist diesem Komponisten wichtig. Man beginnt durchaus, auch dank der erläuternden Worte der Pianistin, anders zu hören.

Das tut man auch bei Debussy und begreift am Ende sogar das Handyklingeln im Publikum während der Schubert-Sonate G-Dur D894 im zweiten Teil des Abends als irgendwie dazugehörend, auch wenn die Romantiker freilich noch nicht mit derartigen Gedankenspielen operierten, im Gegenteil. Die Abwechslung von Debussys Farbenspiel mit Takemitsus Klangspielereien, das quasi Ineinander-Verflechten der beiden Kompositionen war unbedingt schlüssig und zeigte die Nähe der beiden Werkkomplexe treffend auf, was offensichtlich auch dem Publikum gefiel, das doch bereits nach dem ersten Teil ungewöhnlich lange applaudierte.

Das wohl nicht nur wegen der Werke, sondern auch ob des wunderbaren Spiels der Interpretin. Sheila Arnold ist Preisträgerin verschiedener renommierter Wettbewerbe, inzwischen Professorin an der Kölner Musikhochschule. Mit bestechender Intensität und großem Spannungsbogen interpretierte sie. Einzig einen etwas brillanterer Klangreichtum hätte man sich gewünscht. Doch das lag nicht an der Künstlerin alleine, vielmehr am Instrument. Häufig - und das fiel vor allem bei der Schubert Sonate im zweiten Teil auf - klang der Bösendorfer im Alten Kino dumpf, sein Klang wollte sich nicht recht entfalten. Und so mag der Eindruck, zumindest beim Kopfsatz der Schubert-Sonate, die Pianisten spiele mit etwas zu stark zurückgenommener Emotion, auch daran gelegen haben. Allerdings nicht nur, denn das "molto moderato e cantabile" (sehr mäßig) dieses ersten Satzes hätte durchaus mehr Atem vertragen. Eine Spur langsamer darf der auch auf klangliches Sentiment ausgelegte Satz gerne vorgetragen werden. Dann bekommt er mehr Entfaltungsmöglichkeit.

Sei's drum. In ihrer Zugabe bewies Sheila Arnold jedenfalls noch einmal auch ihr virtuoses Talent. Und so klang Schuberts Impromptu in Es-Dur D 899-2 bei den reichlich erschienenen Konzertbesuchern sicher auch nach dem Verlassen des Saals noch lange nach.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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