Briefkastenfirmen im Forst:Ehemalige Steueroasen

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Man könnte sie fast mit einem Vogelhäuschen verwechseln: die kleine Steueroase im Forst. (Foto: Salger)

Nicht nur in Panama, auch im Ebersberger Forst gibt es Briefkastenfirmen. Von ihnen hat früher auch der Kreis profitiert, doch inzwischen sind sie nicht mehr so rentabel.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Nun sind sie wieder in aller Munde: die Briefkastenfirmen. Meist liegen sie, wie nun im aktuell aufgedeckten Fall, in fernen, exotischen Ländern, wo die Steuern deutlich niedriger und die Justiz ein bisschen weniger pedantisch ist als hierzulande, etwa in Panama, auf den Bahamas oder den Jungferninseln. Doch wozu in die Ferne schweifen, wenn die Steueroase liegt so nah? Auch im Landkreis, genauer in den Tiefen des Ebersberger Forstes, gibt es eine solche, die wie ihre Vorbilder in der Karibik ebenfalls Briefkastenfirmen beherbergt, wenn auch mit einigen Schönheitsfehlern, aber von Anfang an.

Der liegt nun schon mehr als eine Dekade zurück, im Jahr 2005. Damals beschloss der Kreistag ein bis dato neuartiges Finanzmodell, um etwas Geld in die klammen Kassen des Landkreises zu spülen: Da Ebersberg mit dem Forst im Gegensatz zu anderen Landkreisen über eigene Flächen außerhalb der Gemeinden verfügt, kam man auf die Idee, diese gewerblich zu nutzen. Neben dem Forsthaus St. Hubertus wurde ein in mehrfacher Hinsicht ganz besonderes Gewerbegebiet ausgewiesen.

Baurechtlich gesehen ist der Forst kein Gewerbegebiet

Denn zum einen ist dort der Gewerbesteuer-Hebesatz mit damals 230, heute sogar nur noch 200 Punkten extrem niedrig. Tatsächlich sind die 200 Punkte sogar das Minimum, das man verlangen darf, erklärt Landratsamts-Sprecher Norbert Neugebauer. Das bedeutet, dass pro 100 Euro Gewinn sieben Euro Gewerbesteuer bezahlt werden müssen. Zum Vergleich: In der Stadt Ebersberg liegt der Hebesatz aktuell bei 360, in der Gemeinde Glonn bei 350 und in Poing mit seinen zahlreichen Gewerbeflächen bei 310. Die Landeshauptstadt München hat sogar einen Hebesatz von 490, was pro 100 Euro Gewinn immerhin 17,15 Euro Gewerbesteuern ausmacht.

Fast noch interessanter als der niedrige Steuersatz ist eine zweite Besonderheit des Gewerbegebietes im Forst: Es ist nämlich eigentlich kein Gewerbegebiet. Jedenfalls nicht baurechtlich, die Errichtung von praktischen Lagerhallen oder schmucken Bürogebäuden ist im Forst nicht erlaubt. Daher ist der Begriff Briefkastenfirma für die dort ansässigen Betriebe tatsächlich im Wortsinne zutreffend: Neben einem alten Holzstadel steht ein großer Briefkasten mit mehreren Namensschildern.

Ohne Gewinne keine Steuern

Insgesamt zehn Firmen sind es aktuell, die die Steueroase im Forst nutzen, sagt Neugebauer. Bei den Firmen handelt es sich allesamt um Anlagefonds, sie halten etwa Beteiligungen an Flugzeugen, im Bereich Gesundheit oder Lebensmittel. Doch der Nutzen der rustikalen Steueroase ist für die Fonds offenbar nicht allzu groß: Keine der Firmen profitiert derzeit von den rekordverdächtig niedrigen Steuersätzen im Gewerbegebiet Hubertus. Der Grund ist einfach: Wer keine Gewinne macht, hat auch nichts zu versteuern.

Und aktuell, so Neugebauer, hat keine der Briefkastenfirmen einen Gewinn ausgewiesen. Den machten sie in der Vergangenheit, indem sie Investorengelder einsammelten und dafür etwa ein Flugzeug oder eine Immobilie finanzierten. Doch "offenbar rentiert sich dieses Geschäftsmodell nicht mehr", sagt Neugebauer, vielleicht seien die niedrigen Zinsen schuld.

Zu Beginn hat auch der Landkreis profitiert

Das macht sich auch im Haushalt des Landkreises bemerkbar, wo man in vergangenen Jahren schon ganz anständig vom Briefkasten im Forst profitiert hatte. Bereits zwei Jahre nach Eröffnung des Briefkastenzentrums brachte dieses mehr als eine halbe Million Euro Gewerbesteuer ein, mit steigender Tendenz. Im Jahr 2008, also vor der großen Spekulationskrise, kamen für den Landkreis sogar mehr als zwei Millionen Euro aus dem Briefkasten.

Immerhin sind die Fondsgesellschaften im Forst nicht weggezogen, vielleicht hofft man auf bessere Zeiten und baldige Gewinne, für die dann rekordverdächtig niedrige Steuern anfallen. Und wer weiß, vielleicht geraten die großen Steueroasen demnächst noch so in Verruf, dass die eine oder andere Briefkastenfirma auf der Suche nach etwas Waldesruh in den Ebersberger Forst umzieht.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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