Ebersberg:Stapelweise Spannendes

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Gymnasiasten müssen ihre Seminararbeiten abgeben

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Wenn das mal kein lebensnahes Thema ist: Mit Prokrastination, also der Tendenz, unliebsame Tätigkeiten lieber nach hinten zu schieben, hat sich eine Schülerin des Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasiums in den vergangenen neun Monaten beschäftigt und dabei in ihrem direkten Umfeld geforscht, nämlich der gymnasialen Oberstufe. Das originelle Thema ermächtigt sie freilich nicht, sich auch mit der Abgabe ihrer Erkenntnisse Zeit zu lassen. Wie für mehrere hundert andere Schülerinnen und Schüler der Oberstufe an den vier Gymnasien im Landkreis ist für sie an diesem Dienstag Deadline: Die Seminararbeiten, die ein wichtiger Schritt in Richtung Abitur sind, müssen abgegeben werden.

Während manche Verfasser wohl noch einige Nachtschichten schoben, bevor ihr erstes größeres wissenschaftliches Werk im Drucker lag, gab es auch etliche Schüler, die schon vor der Frist fertig waren. In Kirchseeon etwa hatte Oberstufenkoordinator Tobias Scheller am Montag bereits an die 40 Arbeiten auf dem Tisch. "Es liegt schon ein ganzer Stapel im Sekretariat", berichtete auch seine Markt Schwabener Kollegin Brigitte Federschmidt. In Grafing hingegen gingen nur wenige Arbeiten vorzeitig ein, wie Oberstufenkoordinatorin Ina Hesse feststellte: "Die meisten sind Meister des Just-in-Time." Offizieller Abgabetermin ist in fast allen Gymnasien am Dienstagnachmittag, dann dürfen sich die Pädagogen mit der Beurteilung ans Werk machen.

Zwar werden für sie die nächsten Monate durchaus stressig, schließlich bewerten sie die Seminararbeiten neben ihrem normalen Unterrichtspensum, doch mit Sicherheit oft auch unterhaltsam und spannend. Denn die Themenvielfalt ist riesig. In Kirchseeon etwa schrieben Schüler über die Folter im Mittelalter ebenso wie über die Aerodynamik von Rotorblättern bei Windkraftanlagen oder den Kampf der großen Sportartikelhersteller um die Vorherrschaft auf dem US-Markt. Bisweilen wurden die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Themensuche laut Tobias Scheller gleich in der Nähe fündig: Eine Arbeit behandelt die radioaktive Belastung von Speisepilzen im Landkreis Ebersberg, eine andere die Auswirkungen des Klimawandels in der Region. Das Thema einer Arbeit, die im Humboldt-Gymnasium Vaterstetten entstanden ist, wird hingegen Heimatforscher aufhorchen lassen: Es geht um historisch bedeutsame Orte und Denkmäler im Landkreis. Andere Vaterstettener Schülerinnen und Schüler verglichen beispielsweise die beiden Verfilmungen des Romans "Die Welle" oder die Darstellungen von Adolf Hitler in den Filmen "Schtonk" und "Er ist wieder da". "Wir sind auf jeden Fall gespannt", sagt Oberstufenkoordinatorin Regina John über das, was sie und ihre Kollegen bald auf dem Tisch haben werden.

Dass die Klassiker auch bei jungen Leuten immer noch hoch im Kurs stehen, merkt man bei vielen Arbeiten, die im Franz-Marc-Gymnasium entstanden sind. Die Darstellung der Juden in Shakespeares "Kaufmann von Venedig" ist ein Thema, der Vergleich von "Romeo und Julia" und der "West Side Story" ein anderes. Gerade in den Naturwissenschaften setzen die Schüler auch bei ihren Seminararbeiten auf empirische Untersuchungen. In Markt Schwaben etwa beschäftigten sich Schüler mit der Frage, wie farbiges Licht oder der Einsatz von Lebensmittelfarbe das Geschmacksempfinden bei Lebensmitteln verändern. Im Gymnasium Grafing beleuchtet eine Arbeit die Herstellung und Wirksamkeit von Kosmetika aus anderen Kulturen. Wie viel man über das Leben der Menschen aus ihren Grabsteinen lernen kann, haben in Grafing ebenfalls Schülerinnen und Schüler untersucht, die die alten lateinischen Inschriften entzifferten und von den Texten auf die Lebensumstände der Verstorbenen schlossen.

Die Lehrkräfte haben unterschiedlich lang Zeit, um die Arbeiten nun zu beurteilen. Bis spätestens 1. Februar müssen sie allerdings die Werke herausfiltern, die den Verfassern nur null Punkte bringen. Das würde nämlich bedeuten, dass sie nicht für die Abiturprüfungen zugelassen sind. Die Betreffenden haben dann auch die Möglichkeit, die Arbeit zurückzuziehen und einen neuen Anlauf zu starten. Besonders positive Beispiele hingegen werden in Kirchseeon am 2. Februar erstmals bei der "Nacht der Seminararbeiten" vor ausgewählten Gästen präsentiert, wie Scheller erzählt.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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