Ebersberg:Schlag ins Kontor

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Gericht spricht 28-Jährigen frei, nachdem sein angebliches Opfer Tathergang und Verletzungen durcheinander bringt

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Eine aufgeplatzte Lippe, die genäht werden musste - das ist alles, was das Ebersberger Amtsgericht nach einer Verhandlung als sichere Tatsache festhalten konnte. Angeklagt war ein 28-jähriger Mann wegen gefährlicher Körperverletzung: Hiebe mit einem Kricketschläger und einem Stein gegen Oberkörper und Rücken eines 22-jährigen Geschädigten. Irgendwo dazwischen kam es noch zu der Verletzung der Lippe des 22-Jährigen. Wie genau, das legte das Opfer dem Gericht in gleich vier verschiedene Versionen dar. Eine fünfte stammte von dem 28-jährigen Angeklagten.

In der Geschichte des 28-Jährigen kam es während eines Kricketspiels zu einem Streit und einer kleinen Rangelei. Der Geschädigte habe versucht, ihm ins Gesicht zu schlagen, sagte der Angeklagte. Dabei sei seine Brille zu Bruch gegangen und er habe den 22-Jährigen von sich weggestoßen, um sich zu schützen. Auf die Nachfrage von Richterin Vera Hörauf, wo in seiner Darstellung Kricketschläger und Stein seien, schüttelte der 28-Jährige energisch mit dem Kopf: Bei dem Streit hätten weder er noch jemand anderes einen Schläger oder einen Stein in den Händen gehalten. Auch von einer blutenden Lippe habe er nichts mitbekommen. Und eine Drohung habe er dem Geschädigten gegenüber niemals ausgesprochen, wie dieser hingegen behauptete. "Es war kein Kriegszustand, sodass ich ihn bedrohen hätte müssen. Es war ja nur ein Kricketspiel!"

Als der 22-Jährige von seinen Erinnerungen an den Vorfall erzählte, kamen zwar sowohl Stein als auch Kricketschläger vor. Allerdings änderte sich mit jeder Nachfrage von Richterin Hörauf die Reihenfolge, in welcher der Angeklagte die Tatwaffen eingesetzt haben soll, sowie die Körperteile, die er damit verletzte. Irgendwann kam dann noch ein Fausthieb dazu, durch den der 28-Jährige ihm Blessuren zugefügt haben soll.

Und dann gab es ja noch die Drohung gegen den 22-Jährigen. Wegen seiner polizeilichen Aussage habe sich der Angeklagte bedroht gefühlt und schlug vor, sich wieder zu vertragen. Falls er auf dieses Angebot nicht eingehe, "ist es ein Leichtes, der Familie im Ausland etwas anzutun", habe der 28-Jährige weiterhin gesagt. Als der Geschädigte einige Tage später mit seinem jüngeren Bruder telefonierte, habe dieser ihm prompt erzählt, dass ihm fremde Männer auf dem Schulweg Süßigkeiten gaben und er dem großen Bruder Grüße ausrichten solle. "Ich hatte Angst um meine Familie", beteuerte er aber. Nach den ganzen Schlägen und den mit Schokolade und Bonbons drohenden Mittelsmännern im Ausland trieb den Verteidiger des Angeklagten noch eine Frage um: Bei einem Kricketspiel gibt es je Mannschaft einen Werfer und einen, der den Ball schlägt. Sein Mandant war bei besagtem Spiel in der Position eines Werfers. "Wie kommt er dann an einen Schläger, wenn er doch die ganze Zeit geworfen hat?", wollte er von dem Geschädigten wissen. Eine Antwort blieb dieser allerdings schuldig.

In ihrem Schlussplädoyer sprach sich die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch des Angeklagten aus. Der Geschädigte habe "wilde Geschichten" über den Tathergang erzählt. "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie sich das alles zugetragen hat." Der Anwalt des 28-Jährigen stimmte seinem Kollegen von der Staatsanwaltschaft zu und auch Richterin Hörauf urteilte nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten": Dieser wurde freigesprochen.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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