Zu viele Falschfahrer:Protest gegen "Anlügerstraße"

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Anwohner klagen darüber, dass viele Autofahrer nach wie vor den kürzesten Weg zwischen Grafing und Ebersberg wählen. Bürgermeister und Polizei rechnen aber mit einer baldigen Entspannung der Situation

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Hartmut Döringer hat es genossen, als die Gspraiter Unterführung im Juli 2016 eine Weile überschwemmt war. "Entspannte und ruhige Tage" und auch Nächte habe die dadurch bedingte Sperrung für den Autoverkehr zur Folge gehabt, sagt er. Sonst findet er, wie er berichtet, eher weniger Ruhe, seit er vor einem Jahr an die Rosenheimer Straße gezogen ist. Denn die kürzeste Verbindung zwischen Grafing und Ebersberg ist zwar offiziell eine Anliegerstraße, zieht aber nach Überzeugung Döringers und vieler seiner Nachbarn nach wie vor auch den Durchgangsverkehr an.

Er erwägt nun die Gründung einer Bürgerinitiative, wie er in einem offenen Brief an Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) schreibt: "Die aktuelle Situation ist nicht hinnehmbar, und wir wollen das als Anwohner nicht akzeptieren." Er erwarte, dass sich alle Verantwortlichen über sinnvolle Aktionen Gedanken machten.

Gesperrt wurden die Kapser Allee und die Rosenheimer Straße für den Durchgangsverkehr nach der Eröffnung der Ebersberger Südumgehung im Jahr 2010. Ungefähr ebenso lange gibt es Klagen von Anwohnern darüber, dass sich kein Mensch an diese neue Regelung halte. Auch Döringer vermutet, dass etwa 70 Prozent derjenigen, die tagsüber durchfahren, dies eigentlich nicht dürften - nachts steige der Anteil auf geschätzte 90 Prozent. Beweisen kann er das nicht, das wäre auch äußerst schwierig.

Jeder, der ein Anliegen hat, darf auch durch die Rosenheimer Straße fahren

Das Hauptproblem bei der Rosenheimer Straße ist es schließlich, dass es sich eben nicht um eine Straße handelt, die nur von Anwohnern befahren werden darf. Es handelt sich um eine Anliegerstraße - das heißt, jeder, der dort ein Anliegen hat, hat auch das Recht, die Straße zu benutzen, wie Dirk Anders, Verkehrsfachmann bei der Ebersberger Polizei, erläutert.

Wer also zum Friedhof will, zum Jugendsportplatz oder auch zum Volksfestplatz, darf durchfahren, ebenso derjenige, der beispielsweise seinen Arbeitskollegen abholt. "Daher sind die Kontrollen sehr aufwendig und führen oft auch zu keinem befriedigenden Ergebnis. Es ist ja auch wieder ungerecht, wenn nur derjenige, der sich nicht rechtzeitig eine gute Ausrede ausdenkt, die 20 Euro Bußgeld zahlen muss", sagt Anders.

Kurz nach der Umwandlung zur Anliegerstraße habe ein Anwohner die Kennzeichen von 700 oder 800 Autos aufgeschrieben, die seiner Ansicht nach unberechtigt durchfuhren, erinnert er sich. "Man kann sich vorstellen, wie aufwendig die Nachbearbeitung für uns war. Am Ende gab es in fast allen Fällen eine Einstellung des Verfahrens." Viele Anwohner berücksichtigten möglicherweise auch nicht, dass sich in den vergangenen Jahren etliche neue Baugebiete in der Umgebung entwickelt hätten - auch aus diesem Grund sei natürlich eine Zunahme des Verkehrs spürbar.

Die rechtliche Problematik bei der Anliegerstraße ist auch Döringer durchaus bewusst: Weil sich jeder ganz leicht ein Anliegen ausdenken könnte, könne man auch von "Anlügerstraße" sprechen. Durch zugegebenermaßen aufwendige Kontrollen sowohl an der Einfahrt als auch an der Ausfahrt der Anliegerstraße ließe sich aber schon herausfinden, wer wirklich dort etwas zu suchen hat, betont Döringer. Die Polizei habe ihm aber deutlich gemacht, dass es hierfür das nötige Personal nicht gebe.

Verbessert habe sich die Situation im Vergleich zu früher aber allemal, darauf weist Bürgermeister Walter Brilmayer hin. "Früher sind da 12 000 bis 13 000 Fahrzeuge am Tag durchgefahren, jetzt sind es nur noch zwei- bis dreitausend." Vonseiten der Stadt habe man die Strecke für Durchfahrende so unattraktiv wie möglich gemacht, etwa durch die Ausweisung von Tempo 30 sowie Parkmöglichkeiten entlang der Straße.

Geschwindigkeitskontrollen haben ergeben, dass sich die meisten Autofahrer an das Tempolimit halten

Vorwürfe der Anwohner, dass derzeit auch entschieden zu schnell gefahren werde, weist Brilmayer zurück. Im Jahr 2016 hätten die städtischen Verkehrsüberwacher 20 Mal kontrolliert, dabei habe sich gezeigt, dass sich 90 Prozent der Verkehrsteilnehmer an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten. Zehn Prozent seien mit Tempo 40 und etwas schneller gemessen worden, der Schnellste sei gerade einmal mit 51 Stundenkilometern unterwegs gewesen.

Ohnehin rechnen Brilmayer wie Anders damit, dass sich in wenigen Monaten die Lage entspannen wird. Durch die Eröffnung der Grafinger Ostumfahrung werden sich auch die Verkehrsströme verändern. Beispielsweise wird es künftig nicht mehr möglich sein, von der Kapser Allee südwärts auf die B 304 zu fahren. Auch für den überörtlichen Verkehr werde es schwieriger, den Schleichweg ohne große Umwege zu nutzen, betont Brilmayer.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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