Ebersberg:Premiere hinter der Bühne

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Das Alte Kino in Ebersberg ist erstmals Schauplatz von Fernsehaufnahmen: Der Bayerische Rundfunk zeichnet an drei Abenden vier Kabarettprogramme auf

Von Anja Blum, Ebersberg

Dass dies kein normaler Samstagabend ist, zeigt sich schon bei der Anfahrt: Der Parkplatz hinter dem Alten Kino ist gesperrt, zwei riesige weiß-blaue Lastwagen stehen dort. Am Boden verlaufen dicke Kabel. Und der Verursacher ist schnell ausgemacht: "BR" prangt in großen Lettern auf den beiden Fahrzeugen. "Das eine ist nur für den Transport, da ist das ganze Equipment drin", erklärt Thomas Welm vom Betreiberverein des Alten Kinos. Der andere Laster ist der berühmte "Ü-Wagen", dorthin wird das Geschehen auf der Kleinkunstbühne übertragen. Mehrere Leitern führen ins Innere des Wagens, darin untergebracht sind etwa acht Arbeitsplätze - für Bild, Ton, Regie, Schnitt und alles mögliche dazwischen. Zahllose Knöpfe, Schalter, Regler und Bildschirme offenbaren die technische Komplexität, mit der eine solche Fernsehaufnahme heute verbunden ist. "Das ist der drittgrößte Ü-Wagen des BR", sagt Welm nicht ganz ohne Stolz.

Dass er an diesem Abend vor Ort ist, spricht ebenfalls für die Besonderheit des Anlasses, schließlich haben sich Welm und seine Vorstandskollegen eigentlich aus dem operativen Geschäft rund ums Alte Kino eher zurückgezogen. Dessen Fäden laufen seit langem zusammen bei Geschäftsführer Markus Bachmeier, den man in diesen Stunden noch viel mehr herumsausen sieht als sonst.

Kein Wunder, schließlich feiert das Alte Kino an diesem Samstag eine Premiere - und zwar nicht auf, sondern hinter der Bühne. Es ist das erste Mal in seiner mehr als 20-jährigen Geschichte, dass eine Vorstellung vom Fernsehen aufgezeichnet wird. Bislang seien lediglich Tonaufnahmen gemacht worden, sagt Welm. "Insofern ist das heute schon was sehr Spannendes und Schönes." Eine Art Ritterschlag der Szene, der dem Haus "schon ein gewisses Renommee" verleihe. Nervös sei man im Team deswegen aber nicht, versichert Welm. "Wir machen ja nichts anderes als sonst auch."

Nicht zu übersehen sind die beiden Lastwagen voller Technik, die vier Tage auf dem Parkplatz hinter der Kleinkunstbühne stehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und doch spürt man in jeder Ecke des Alten Kinos an diesem frühen Abend eine besondere Atmosphäre: eine irgendwie freudig-erregte Geschäftigkeit. Das fängt schon damit an, dass viel mehr Menschen als sonst das Haus bevölkern. Der BR ist mit 30 bis 40 Mann angerückt, so ganz genau kann das keiner sagen. Von Fahrern und Kabelträgern über Licht, Ton und Kamera bis hin zu Aufnahmeleitung, Regie, Produktionsleitung und Redaktion. Die Technik wurde bereits am Freitag aufgebaut. Die halbe Galerie steht voller Mischpulte, im Saal kommen fünf Kameras zum Einsatz, außerdem wurden etliche zusätzliche Scheinwerfer installiert, die auch das Parkett ausleuchten. "Wir machen nämlich auch immer wieder Zuschauerschnitte, schließlich wollen sich die Menschen gerne im Fernsehen sehen", sagt Redakteurin Beate Bodenschatz und lacht. Auf der Bühne hat der BR vier hohe Leinwände aufgebaut, die in allen Farben leuchten können. "Wenn der Hintergrund ganz schwarz ist, sind das für die Kameras zu starke Kontraste", weiß Welm. "Dann sieht man anstelle der Gesichter nur weiße Flecken."

Am Samstagnachmittag nun ist Zeit für Proben. Da das Programm des Abends - zu Gast ist das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft - viele musikalische Elemente hat, nimmt vor allem der Soundcheck viel Raum ein. "Aber auch so Besonderheiten wie einen Auftritt durch die Reihen des Publikums müssen wir vorher mal ausprobieren", erklärt Regisseur Kai Schmitt, so etwas könne man schließlich nicht im Blindflug einfangen. Ziel sei es jedenfalls, das Material bereits während der Aufnahme zu 80 Prozent fertig zu stellen. "Danach, im Schnitt, wird dann nur noch verhübscht und bei Bedarf gekürzt", so Schmitt.

Das Bayerische Fernsehen und das Ensemble der Münchner "Lach- und Schießgesellschaft" proben für den Abend "Live aus dem Alten Kino in Ebersberg". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die Künstler jedoch ist die penible Vorbereitung der Aufnahmen weniger erfreulich. Das Ensemble ist seit 15 Uhr vor Ort - "und man muss ständig für alle Eventualitäten zur Verfügung stehen", sagt Kabarettist Frank Smilgies, das sei schon anstrengend. "Da muss man aufpassen, dass einem die Energie nicht schon vor dem Auftritt verloren geht." Nicht gewohnt sind die drei Männer der Truppe außerdem, geschminkt zu werden. "Normalerweise ist uns das nicht so wichtig", sagt Smilgies, "aber im Fernsehen gibt es eben Nahaufnahmen, das ist dann schon was anderes." Im Fernsehen wolle man ja mit allem glänzen - nur nicht im Gesicht. Eines seiner beiden Büros hat das Alte Kino der Maske überlassen, im Gang davor steht eine Kostümbildnerin und bügelt die Bühnenoutfits. "Es soll ja wirklich alles schön aussehen", sagt sie. Sogar der schwarze Flügel wird kurz vor Beginn noch einmal gewienert.

Redakteurin Bodenschatz ist begeistert, noch bevor sich der Vorhang öffnet. "Bis jetzt ist alles sehr gut gelaufen", freut sie sich. "Das ist ein tolles Haus, das wir schon lange einmal besuchen wollten." Vor allem sein Charme und die Akustik seien wunderbar. Doch woher kennt die Redaktion des BR die Bühne in Ebersberg? "Da gibt es schon lange diverse Kontakte", sagt Bodenschatz, "in der Szene kennt man sich halt. Und ich bin auch schon als Gast mal da gewesen." Den Ausschlag gegeben für die Aufzeichnung habe der Auftritt des neuen Ensembles der Lach- und Schießgesellschaft, dem Bachmeier dann noch drei weitere interessante Programme anfügen habe können: Lisa Fitz am Sonntagabend sowie Matthias Tretter und Michael Altinger am Montag. "Nur so lohnt sich nämlich der ganze Aufwand", erklärt die Redakteurin. Ob es im nächsten Jahr eine Wiederholung von "Live aus dem Alten Kino" geben wird, hängt laut Bodenschatz denn auch davon ab, ob sich so eine Veranstaltungsdichte wiederholen lässt. "Aber ich bin da sehr zuversichtlich", sagt sie.

Als sich der Vorhang hebt, begrüßt eine Stimme aus dem Off, die des Regisseurs aus dem Ü-Wagen, das Publikum, das als Warm-Up ein paar Mal kräftig applaudieren muss - Vorschusslorbeeren für die Künstler sozusagen. "Ihr wisst ja, das Fernsehen ist eine Lügenmaschine", scherzt Smilgies. Dann wird es ernst.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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