Ebersberg:Parade der Klischees

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Eigentlich kommt Ernst Obermaier aus der Tourismusbranche. (Foto: privat)

"Tödliches Asyl": der erste Roman des Ebersbergers Ernst Obermaier

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Drei tote Flüchtlinge, ein tschechischer Drogendealer, eine gefloppte Tabledance-Bar in Ottersberg und ein Kommissar, der lieber Weißwürste isst und Fußball schaut, als seine Fälle zu lösen: Fasst man Ernst Obermaiers Roman "Tödliches Asyl" zusammen, ist das Ergebnis eine Parade der gängigsten Klischees über Bayern, Berliner und das Landleben. Hauptkommissar Vitus Wastlhuber wird hinzugezogen, als drei Leichen im Landkreis Ebersberg auftauchen. Schauplatz des Verbrechens ist ein "heruntergekommenes Gasthaus" zwischen Poing und Ottersberg, wie es heißt. Wastlhubers Charakter ist symptomatisch für den ganzen Roman: Selbst eingefleischter CSU-Parteigänger, leitet Wastlhuber die Sonderkommission "Grenzgänger", um die von Banden organisierten Verbrechen im Münchner Speckgürtel einzudämmen. Problematisch dabei: Der Hauptkommissar hasst alles, was nicht bayerisch ist, "und innerhalb Bayerns auch noch die Franken". Sein Handyklingelton ist - selbstverständlich - die Bayernhymne. Seit er von seiner Gattin verlassen wurde, gehören auch Frauen zu seinen Hassobjekten. Von seinen Kollegen wird Wastlhuber als "Grantler" und "Zwiderwurzn" umschrieben - beide Begriffe müssen Linda Hoppendal, der neuen Kollegin aus Berlin, erst noch beigebracht werden. Nicht schwer zu erahnen: Sie wird Wastlhubers neuestes Hass-Objekt.

In der Wache gehören auch die Gepflogenheiten des Weißwurstfrühstücks, inklusive täglicher Ration Weißbier, zum Eingewöhnungsprogramm der Neuen. Eine Portion bayerischen Charmes bekommt sie bereits an ihrem ersten Abend im Wirtshaus ab: "Woins an Sprachkurs oder was essen?" Und Hoppendals Erfahrungen mit den Münchener Mietpreisen, vor allem aber mit den Vermietern, lassen die meisten anderen literarischen Übertreibungen des Romans blass aussehen: Der erste potenzielle Vermieter ist ein Sadomasochist und verlangt sexuelle Dienstleistungen, der zweite inkontinent und fordert als Gegenleistung, dass man ihm nachts behilflich ist. Kurz bevor die Berlinerin die Suche aufgeben will, erweicht sie das Herz ihres garstigen Chefs und zieht bei diesem ein. Inzwischen gut assimiliert, isst sie sogar Leberkassemmeln.

Extrem schlecht kommen hingegen die Einwohner der halbfiktiven Gegend um Poing weg: Von religiösen Fanatikern über Neo-Nazi-Sympathisanten bis hin zu verbrecherischen Bauunternehmern und swingenden Pseudo-Künstlern ist alles dabei. Ein Beispiel: Der fiktive Bürgermeister lässt seinen Sohn bei der Landkreisausgabe des Münchener Merkurs volontieren, damit für ordentliche Berichterstattung gesorgt ist. Müsste Obermaier für jedes Klischee, dessen er sich in seinem Roman bedient, einen Euro zahlen, würde nicht viel von seinem Honorar bleiben.

Und doch: An zahlreichen Stellen muss man beim Lesen schon schmunzeln, weil man Situationen aus dem täglichen Leben wiedererkennt. Der Sprachkurs für die Berlinerin beispielsweise. Der krachlederne Hauptkommissar, der einfach nur in Ruhe seinen Job machen will, und wenn man ihn dabei stört, deftige Flüche ausstößt. Oder auch schlichtweg oberbayerische Bräuche. Die Stellen des Romans, an denen Obermaier sein Wissen über den Landkreis - er selbst ist gebürtiger Ebersberger - einfließen lässt, sind deutlich stärker als der eher mühsame Plot des Krimis. Was in Obermaiers Freizeitführern gut aufgeht - nämlich kriminalistische Kurzgeschichten als Aufhänger für Anekdoten aus der Region und Ausflugstipps - ist also in seinem ersten Roman "Tödliches Asyl" nicht ganz unproblematisch.

Am Mittwoch, 24. Februar, um 19 Uhr liest Obermaier im Buch Otter in Ebersberg. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter (08092) 86 02 05 notwendig.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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