Ebersberg:Miteinander in der Gesellschaft

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Anna-Dorothea Cohrs hat in ihrer Arbeit für die Ebersberger Ausländerhilfe viel erlebt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 32 Jahren gibt es den Verein Ausländerhilfe in Ebersberg, der sich der Integration von Neuankömmlingen verschrieben hat. Die Herausforderungen sind im Lauf der Zeit gewachsen und vielfältiger geworden

Von Sandra Langmann, Ebersberg

Mit der Zeit haben sich viele Papierstöße und Ordner im Büro von Anna-Dorothea Cohrs angesammelt. Darunter viele lose oder zusammengeheftete Zettel, und hinter jedem einzelnen verbirgt sich eine Geschichte. Ein Antrag auf Asyl, auf eine Familienzusammenführung, auch mal ein Amtsbesuch oder die Hilfe bei den Hausaufgaben sind darauf vermerkt. Das sind nur einige Aufgaben, um die sich Anna-Dorothea Cohrs, einzige Angestellte des Vereins Ausländerhilfe in Ebersberg kümmert. Sie hat alle Hände voll zu tun.

Vor 32 Jahren, im Jahr 1985, wurde der Verein gegründet. Fast genauso lange, seit 1989, ist Anna-Dorothea Cohrs dabei - beinahe von Anfang an. "Die Arbeit an sich ist eigentlich dieselbe geblieben. Die Bürokratie ist mehr geworden", erzählt die Sozialpädagogin. In den Anfangszeiten sei es vor allem um die Begleitung von türkischen Familien gegangen, der Verein habe Kindern bei den Hausaufgaben geholfen. Gelegentlich seien auch syrische Familien darunter gewesen. Nach und nach wurde der Kreis der Unterstützten internationaler und in den 90er Jahren seien dann immer mehr Familien aus den Balkanländern nach Deutschland gekommen, mit immer mehr Kindern, die Betreuung gebraucht hätten. Mit dem Beginn des Jahres 2011 seien dann Menschen aus Afghanistan, später viele aus Spanien, Italien und Griechenland zugezogen.

Von mittlerweile rund 140 bis 150 ehrenamtlichen Mitgliedern werden Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge begleitet, "doch Hilfe können wir immer brauchen", stellt Cohrs fest. Hilfe bei allen alltäglichen Aufgaben: Sei es die Begleitung beim Asylverfahren, zur Bank oder zum Prozess, aber auch wenn es um Integration oder die Vermittlung von Wertvorstellungen geht. "Es ist wichtig, Aufklärung zu betreiben und über Rechte und Pflichten zu informieren. Und wenn es nur darum geht, ein S-Bahn-Ticket zu kaufen oder Müll zu trennen." Ein wichtiger Bereich ist die Betreuung von Kindern. Schon lange gehe es nicht mehr nur um Hilfe bei den Hausaufgaben, viele von ihnen brauchten Deutsch-Sprachkurse, erzählt Cohrs. "Das klappt sehr gut, denn viele sind sehr motiviert." Hin und wieder sei es schwer, die Eltern ins Boot zu holen. Denn man müsse die richtige Balance im Umgang finden, schließlich gehe es um selbständige und erwachsene Menschen, die es zu begleiten gelte.

Das Ziel des Vereins sei es von Anfang an gewesen, ein gutes Miteinander in der Gesellschaft zu schaffen, doch das Klima habe sich zum negativen verändert, sagt Cohrs. Kritische Stimmen nähmen zu und aufgrund von Gesetzesänderungen habe es eine politische Verschlechterung gegeben. Zuzug, Integration und Familiennachzug würden dadurch erschwert. "Anstatt die Lage zu beobachten, werden Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben, obwohl es dort wenig sichere Gegenden gibt", kritisiert sie. Vor allem Afghanen scheuen sich nun vor jedem Gang zum Amt. Auch wenn sie schon lange in Deutschland leben, könne es plötzlich passieren, dass sie doch wieder zurück in ihr Heimatland müssen.

Manche Asylverfahren zögen sich über Jahre hin, manchmal könnten sie aber auch in wenigen Wochen erledigt sein. In der Regel hätten sich die Verfahren nach Angaben von Cohrs beschleunigt. Doch fehle eine gewisse Sorgfalt und Genauigkeit, mit welcher die Anträge bearbeitet würden, kritisiert sie. Die Entscheidungen könnten nicht immer nachvollzogen und eine Klage sehr teuer werden. Das lange Warten, die Unsicherheit und auch die schlimmen Erfahrungen, die viele Flüchtlinge gemacht haben, schlügen auf die Stimmung. "Viele Flüchtlinge sind traumatisiert, weshalb häufig auch ein Therapeut benötigt wird."

Was das angeht, gebe es im Verein einen Engpass. Wenn es in Flüchtlingsunterkünften immer wieder zu Konflikten komme, könnten die nicht in jedem Fall sofort von Sozialarbeitern geschlichtet werden. Viele Anträge und Anliegen landen auf dem Tisch von Anna-Dorothea Cohrs und viele Fälle liegen ihr sehr am Herzen. Um die Anonymität ihrer "Schützlinge" zu wahren, möchte sie auf keine Geschichte näher eingehen. "Doch Familienzusammenführungen sind für mich sehr bewegend", erzählt die Sozialpädagogin. Sie begleitet Familien über eine lange Zeit hinweg und oft ist es ein schwieriger und harter Weg. Viel Freizeit bleibt Cohrs nicht, und es warten bereits weitere Fälle auf sie, die nicht einfach in einem Ordner auf ihrem Schreibtisch abgeheftet werden können.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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