Ebersberg:Wegweiser für die Zukunftsplanung

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Die Analyse beleuchtet auf 305 Seiten nicht nur die aktuelle Situation, sie weist auch deutlich auf kommende Herausforderungen in Wohnungsbau, Pflege und Bildung hin

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Es ist ein 305 Seiten starkes Werk, das weder interessante Hauptfiguren bietet, noch eine Handlung: Dennoch werden Kommunalpolitiker, aber auch Vertreter sozialer Organisationen, des Bildungs- oder Gesundheitssektors sicherlich viel Spannendes darin finden. Erstmals wurde ein Sozialbericht für den Landkreis vorgelegt, der im Detail aufschlüsselt, wie es beispielsweise um Bildung, Einkommen oder Wohnsituation im Landkreis und in den einzelnen Gemeinden bestellt ist. Unter anderem zeigt der Bericht, dass das Einkommensniveau im Ebersberger Raum vergleichsweise hoch ist, sich die Menschen hier aber dennoch nicht mehr leisten können als andernorts, weil die Lebenshaltungskosten ebenfalls im oberen Bereich liegen. Dominik Redemann, Fachmann für Sozialplanung und Jugendhilfeplanung im Landratsamt, präsentierte die Erkenntnisse aus dem Sozialbericht im Ausschuss für Soziales, Familie und Bildung (SFB) des Kreistags, in den Gemeinderäten will er in den nächsten Monaten den Bericht vorstellen, falls das gewünscht ist.

Demografische Entwicklung

Wachstum hat den Landkreis seit den 1960er Jahren geprägt, daran wird sich künftig nichts ändern. Dies liegt vor allem an dem starken Zuzug in den Gemeinden entlang der S-Bahn-Linien und nahe der Landeshauptstadt München im Westen. Doch es ziehen auch viele wieder weg, denen das Leben im Kreis Ebersberg immer noch zu teuer ist. Sie suchen sich eine neue Heimat in Regionen, die noch weiter von München entfernt sind. Dass die Bevölkerung nicht abnimmt, daran hat auch die Geburtenrate einen Anteil: Sie ist im bayernweiten Vergleich überdurchschnittlich, für Oberbayern allerdings leicht unterdurchschnittlich. Besonders in den nordwestlichen Gemeinden Poing, Anzing und Markt Schwaben sowie in den südlichen Gemeinden Bruck, Baiern und Glonn ist die Geburtenrate überdurchschnittlich hoch. Außergewöhnlich hoch ist der Anteil von Kindern und Jugendlichen in Baiern, Bruck, Moosach und Frauenneuharting. Der Ausländeranteil im Landkreis liegt mit etwa zehn Prozent im bayerischen Durchschnitt, überdurchschnittlich viele Migranten wohnen in Markt Schwaben, Kirchseeon und Poing. Auch wenn der Landkreis gerade für junge Familien attraktiv ist, überwiegen mittlerweile Ein- und Zweipersonenhaushalte, sie machen 60 Prozent aller Haushalte aus.

Wohnen

Wohnraum ist ein knappes Gut, der Trend geht auch im Landkreis zu kleineren Wohnungen für weniger Leute. Die Preise sind enorm gestiegen, auch für diejenigen, die Wohneigentum erwerben wollen: Mit durchschnittlich etwa 730 000 Euro muss man im Landkreis Ebersberg die vierthöchsten Preise in der Region München für eine Doppelhaushälfte zahlen, teurer ist es nur noch in Stadt und Landkreis München sowie im Landkreis Starnberg. Diese Situation wird den aktuellen Prognosen zufolge die Bevölkerungsstruktur verändern: Sozial Schwächere ziehen weg, es finde, so der Bericht, "eine soziale Verdrängung durch sozio-ökonomisch besser gestellte Bevölkerungsgruppen" statt. Gegensteuern könnte man hier durch die vermehrte Schaffung von Sozialwohnungen. Auch städtebauliche Verträge, die die Schaffung von günstigem Wohnraum zum Ziel hätten, könnten helfen.

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt boomt, dabei spielt der Landkreis selbst als Arbeitsort eine eher geringe Rolle, viele Beschäftigte arbeiten außerhalb, vor allem in der Landeshauptstadt. Mehr Frauen als im bayerischen oder oberbayerischen Vergleich sind berufstätig, die Beschäftigungsquoten von Frauen sind am höchsten in den Gemeinden Poing und Hohenlinden. Gestiegen ist allerdings auch die Zahl der geringfügig Beschäftigten, eine steigende Anzahl an Landkreisbürgern machen neben ihrem Hauptberuf noch einen Zweitjob. Es handle sich, so Redemann, um das Phänomen der "working poor": Trotz einer Vollzeitbeschäftigung reicht das Geld nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Entwicklung könnte sich weiter verschärfen, so die Prognose im Bericht. Auch wenn die positive Arbeitsplatzentwicklung laut Prognosen in der Region anhalten wird, wird ein leichtes Überangebot an Fachkräften mit akademischen Bildungsabschlüssen in der Region München erwartet. Mangeln wird es hingegen noch stärker an Fachkräften im Gesundheits, Pflege- und Erziehungsbereich.

Überdurchschnittlich viele Kinder brauchen überdurchschnittlich viele Kita-Plätze. (Foto: Christian Endt)

Einkommen und Sozialleistungen

Das Auseinanderklaffen zwischen arm und reich macht sich immer stärker bemerkbar: Auf fünf Prozent der Beschäftigten in den oberen Einkommensklassen entfallen 25 Prozent aller Einkünfte. Auf ein Drittel der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen in den unteren Einkommensklassen entfallen hingegen nur 6,4 Prozent der Einkünfte. Gemessen an der Kaufkraft und dem Einkommen seiner Bevölkerung erscheint der Landkreis im bayerischen und deutschen Vergleich reich. Nach Südosten hin nehmen Kaufkraft und Einkommen der Einwohner ab. Auf Hartz IV sind nur vergleichsweise wenige Menschen im Landkreis Ebersberg angewiesen, das Risiko, hier zu landen, liegt bei Alleinerziehenden und Familien mit mehreren Kindern am höchsten. Obdachlosigkeit hat bereits zugenommen und wird es weiter tun. Problematisch könnte im Zuzugslandkreis werden, dass viele Menschen hier nicht über ein soziales Netz verfügen, das sie in Notlagen auffängt.

Bildung und Erziehung

Gestiegen ist die Zahl der Plätze in Kitas, die Betreuungsquote der unter Dreijährigen liegt bei 26 Prozent, im oberbayerischen Vergleich wurden nur in der Landeshauptstadt sowie in den Landkreisen München und Starnberg mehr Kleinkinder in Kitas betreut. Das Bildungsniveau im Landkreis ist sehr hoch, überdurchschnittlich viele haben eine Hochschulzugangsreife oder einen Hochschulabschluss. Auch Menschen mit Migrationshintergrund haben häufiger als im deutschen Durchschnitt einen hohen Bildungsabschluss. Der Drang auf Gymnasien und Realschulen wird weiter stark bleiben, die Mittelschulen werden weiter das Nachsehen haben. In der Zukunft muss vermutlich mehr getan werden für Kinder mit Migrationshintergrund, da deren Anteil zunehmen wird.

Gesundheit und Pflege

Die Bevölkerung im Landkreis Ebersberg wird nicht nur älter, sie wird damit auch pflegebedürftiger und dementer. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von derzeit etwa 2700 auf 5100 im Jahr 2033 steigen, die Zahl der Demenzkranken wird laut Prognosen von 3100 auf 3800 zulegen. Weil immer mehr Frauen arbeiten und überdies immer weniger Familien auch in mehreren Generationen zusammenleben, wird die Pflege zu Hause voraussichtlich abnehmen, während die professionelle institutionelle Pflegeinfrastruktur ausgebaut werden muss. Das größte Problem: auch noch das Personal für die Pflegeeinrichtungen zu finden.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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