Ebersberg:Krimineller Tauschring

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Bewährungsstrafe für eine 37-Jährige, die ihr Marihuana mit Amphetamin bezahlt hat

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Tauschen, die wohl älteste Form des Handels, erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Etwa in sogenannten Tauschringen oder -kreisen, wo man kleine Dienstleistungen wie Rasenmähen, Gebrauchsgegenstände oder Kleidung gegeneinander aufwiegt. Dies taten auch eine 37-Jährige Münchnerin und ein Ehepaar aus dem nördlichen Landkreis, doch statt Pullis und Handwerkerdienste wurden bei ihnen Drogen gegeneinander aufgewogen. Wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels musste sich die 37-Jährige nun vor dem Schöffengericht verantworten.

Mindestens vier Mal, so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, soll ein solcher Tausch stattgefunden haben. Die Treffen waren entweder in der Wohnung der Angeklagten in München oder zu Hause bei ihren Tauschpartnern im nördlichen Landkreis Ebersberg. Dabei wechselten jeweils zwischen 20 und 25 Gramm Amphetamin sowie um die 35 Gramm Marihuana den Besitzer. In einem Fall soll die Angeklagte auch Geld erhalten haben. Weil ihr gleichaltriger Tauschpartner nicht genügend Marihuana hatte, gab er ihr 150 Euro.

Auf die Spur des kriminellen Tauschringes kam die Polizei im Frühjahr 2014, weil sie schon länger gegen den 37-Jährigen ermittelte und sein Telefon abhörte. Aufgrund von SMS-Nachrichten schlossen die Ermittler auf illegale Geschäfte zwischen dem Mann, der in diesem Zusammenhang bereits wegen Drogendelikten verurteilt wurde, und der nun Angeklagten.

Diese räumte vor Gericht über ihren Verteidiger die Vorwürfe weitgehend ein. Es seien allerdings nicht vier, sondern nur drei Mal Drogen getauscht worden. Dies bestätigten mehr oder weniger auch ihre als Zeugen geladenen Geschäftspartner. Der 37-Jährige und seine 31-Jährige Frau sagten aus, dass sie sich nicht mehr genau erinnern konnten, aber wohl nicht mehr als drei Mal Amphetamin von der Angeklagten bezogen hätten. Auch dazu, wie es zu der Geschäftsbeziehung kam, äußerte sich der Zeuge: "Die Initiative ging eher von mir aus", er habe gewusst, dass die Angeklagte "manchmal was raucht" und Amphetamin besorgen kann, so sei es dann zu dem Geschäft gekommen. "Blöd gesagt: das war eine echte Win-Win-Situation."

Woher die 37-Jährige das Amphetamin hatte, dazu machte sie keine Angaben, es konnte auch von der Polizei nicht geklärt werden. Wie ein als Zeuge geladener Beamter, der an der Wohnungsdurchsuchung bei der Angeklagten beteiligt war, auf Nachfrage des Staatsanwaltes erklärte, habe man in diese Richtung nicht ermittelt, und auch "nichts veranlasst." Dafür bestätigte der Polizist, dass man in der Wohnung der 37-Jährigen Drogen gefunden hatte: insgesamt 16 Gramm Marihuanaprodukte, sowie eine kleine Menge Amphetamin im Kleiderschrank ihres Lebensgefährten.

Sehr ausführlich äußerte sich die Angeklagte dagegen dazu, warum sie sich auf die Drogengeschäfte einließ. Die Mutter einer inzwischen 19-Jährigen Tochter habe vor etwa fünf Jahren eine schwere Krise durchlebt, sowohl beruflich, wie privat. Zuvor habe sie in einer Werbeagentur gearbeitet, so die gelernte Fotografin, aber das war "eine wirtschaftliche Nullnummer". Zehn Jahre lang habe sie bis zu 70 Stunden in der Woche gearbeitet, "aber leider nie richtig Geld damit verdient". Ende 2010 sei sie dann an einem Burnout erkrankt und in eine Depression gerutscht. In jener Zeit sei auch ihre Oma, bei der sie aufgewachsen war, gestorben, was die Depression noch verstärkt habe. Drei Monate lang sei sie deshalb in der Klinik gewesen, habe Antidepressiva bekommen, "aber die haben nicht gereicht." Nur um sich zu beruhigen habe sie mit dem Kiffen angefangen, aber bereits als die Polizei im vorvergangenen Frühjahr ihre Wohnung stürmte, habe sie damit eigentlich schon fast aufgehört gehabt. "Weil es mich meiner geistigen Fähigkeiten beraubt hat", außerdem sei eine gute Freundin kurz zuvor an Lungenkrebs gestorben. Inzwischen mache sie eine Ausbildung zu Medien-Fachwirtin. Drogen nehme sie nur noch legale: die vom Arzt verschriebenen Antidepressiva.

In einem längeren Rechtsgespräch fanden die Prozessbeteiligten eine Einigung. Der Vorwurf des gewerbsmäßigen Handels wurde fallen gelassen. Die nicht vorbestrafte Angeklagte wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Als Auflage muss sie ihre Therapie fortsetzen und 100 Stunden soziale Arbeit leisten. Um ihre Ausbildung nicht zu gefährden, gab ihr das Gericht dafür aber ein Jahr Zeit.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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