Ebersberg:In Stein gemeißelte Hoffnung

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Ein Gang über Friedhöfe im Landkreis: Zahlreiche Sprüche und Gebete auf den Gräbern spiegeln den innigen Wunsch der Angehörigen wider, der Verstorbene möge irgendwann auferstehen

Von Sara Kreuter

In der Antike war das Kreuz ein Folterinstrument, seine Verwendung fand es bei der öffentlichen Hinrichtung von Gesetzesbrechern. Doch im christlichen Kontext ist das Kreuz längst kein Symbol des Schreckens mehr, sondern ein Bild der Hoffnung. Das Kreuz und das leere Grab sind seit dem ersten Osterfest vor knapp 2000 Jahren untrennbar verbunden, verweisen auf ein Leben nach dem Tod, auf die Hoffnung, dass am Ende doch noch nicht alles vorbei ist.

Nirgends finden sich so viele Kreuze wie auf Friedhöfen. Sie zieren beinahe jede letzte Ruhestätte, aus Holz oder Messing, irgendwo eingraviert oder in Stein gemeißelt. Auf den Grabmalen selbst stehen die Eckdaten der Verstorbenen, ein Leben reduziert auf Name, Geburts- und Todestag. Doch zuweilen findet man dort auch weitere Informationen: Verdienste, Lebensmotto, Bibelverse. Diese schriftlichen Versatzstücke - letzte Worte, kurze Lebensbilanzen, gezogen von Verwandten an der Toten statt - verweisen auf das Verhältnis der Lebenden zum Tod. Ein Gang durch die Reihen steinerner Erinnerungsmale in Ebersberg, Grafing, Kirchseeon, Pöring und Vaterstetten verrät, welche Einstellung die Menschen im Landkreis gegenüber der Hoffnung haben, die für das Osterfest so zentral ist.

Womöglich können Gläubige ihre Angehörigen künftig auch am Friedhof in Ebersberg nach muslimischer Tradition bestatten lassen. (Foto: Christian Endt)

Einige Inschriften haben rein deskriptiven Charakter. "Jungfrau Amalie R.", heißt es beispielsweise auf einem Ebersberger Grabstein, "welche den obigen Haushalt nahezu 27 Jahre mit aufopfernder Treue und Hingebung führte". "Lebenslustig, grodaus und fleißig", steht auf Josefine U.s Grabstein, eine Würdigung ihres Charakters, post mortem. Hoffnung kommt hier nicht zum Ausdruck, vielmehr eine Anerkennung - oder Rechtfertigung - von Lebensentwürfen.

In diesem Stil sind auch die wiederholt auftretenden Berufsbezeichnungen zu lesen. "Uhrmachermeister", "Zahnarzt", "Geschäftsinhaber", "Chauffeur beim Grandauer", "Bauunternehmerswitwe", "Oberweichenwärter" oder "Bäckermeistersgattin" heißt es da. Leben wird in der Retrospektive betrachtet, nicht mit hoffnungsvollem Blick nach vorne.

Einzelne Grabsteine zeugen gar von blanker Hoffnungslosigkeit, von der Verzweiflung der Hinterbliebenen. "Zu früh" heißt es dann auf den steinernen Erinnerungsmalen, besonders häufig auf Kindergräbern. Zwei Plastik-Ponys lehnen am Grab des zweijährigen Alois. Der Spruch auf dem vergilbten Stein zeugt von der Machtlosigkeit der Eltern: "Wenn Liebe könnte Wunder tun/ und Tränen Tote wecken/ so würde dich mein liebes Kind/ nicht diese Erde decken", heißt es da.

Der Glaube an die Aussicht auf ein Wiedersehen im Jenseits ist Trost in der Unerbittlichkeit des Todes. (Foto: Sara Kreuter)

Erste Andeutungen von Hoffnung finden sich auf den Friedhöfen in den Symbolen, die in die Erinnerungssteine eingearbeitet sind. Neben zahllosen Kreuzen zieren Herzen, Pflanzen und Sonnen die Grabplatten. Sie stehen für Wachstum, Kreislauf, Neuanfang, Auferstehung.

Und tatsächlich: Vereinzelt drückt sich diese Hoffnung auch in den Inschriften aus. "Auf dein Wort hin", ist zum Beispiel in einen Grabstein auf dem Alten Friedhof in Ebersberg gemeißelt, darunter eine neutestamentliche Szene, in der die Jünger ihre Netze nach einer erfolglosen Nacht auf der anderen Seite des Bootes auswerfen - weil Jesus es ihnen befiehlt. Auf dem Bild wissen die Jünger noch nichts von ihrem bevorstehenden Fang. Ihre Blicke sind skeptisch, zeugen von Zweifel - aber auch von der vagen Hoffnung, dass sich Gottes Zusage erfüllen wird.

Auf wenigen Gräbern ist deutlich die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits zu finden, meist christlich konnotiert: "Für Gott gibt es keine Ferne" steht auf einem Stein auf dem Grafinger Stadtfriedhof, "Wer glaubt, wird Gottes Herrlichkeit schauen" in Kirchseeon. "Christus ist mir Leben - und Sterben Gewinn", heißt es auf einem anderen Grab, ein paulinisches Zitat. An die Hoffnung einer Errettung aus dem Fegefeuer klammert sich die Familie von Johann und Katharina O., die hinter den Namen des Entschlafenen auf dem Alten Ebersberger Friedhof noch den Beisatz "gestorben nach Empfang der heiligen Sterbesakramente" anfügten - nur für den Fall.

Der Glaube an die Auferstehung spendet vielen Hinterbliebenen Trost. (Foto: Sara Kreuter)

Auch säkulare Sprüche zieren zuweilen die Grabsteine. "Wer ihn kannte, liebte ihn, wer ihn liebte, vergisst ihn nie", heißt es etwa über Bernhard R. "Unser Leben ist, wozu unser Denken es macht", steht auf einem Urnengrab in Kirchseeon. Bezeichnenderweise steht hier die Sehnsucht der Angehörigen im Mittelpunkt - und wieder die Erinnerung.

Ganz gleich, ob kurze oder prosaische Inschriften: Im Dunkeln flackern die kleinen Friedhofslichter als Beweis, dass die Angehörigen ihrer Toten gedenken. Hoffnung findet sich in den Texten vor allem ausgedrückt in dem Glauben an Auferstehung nach dem Tod. Losgelöst vom christlichen Kontext ist darin weniger der Blick in die Zukunft als vielmehr der Blick zurück zu lesen. Aber vielleicht finden die Angehörigen ja genau darin - keine österliche Hoffnung, aber doch Trost.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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