Ebersberg:Häme im Harem

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Es läuft nicht mehr so richtig lässig in der Kommune, auch Trommeln kann das Gefühl von Frust und Eifersucht nicht überdecken. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Theater Zwischenton führt im Alten Kino Thomas Vinterbergs "Die Kommune" auf

Von Victor Sattler, Ebersberg

Mancher Regisseur stellt in seinem Stück die Frage, ob ein bestimmtes Lebensmodell wohl scheitere. Der andere prüft, woran es scheitert. Und der dritte: Der zeigt lieber mit Freude am Chaos, wie böse manche Pläne scheitern können. Letzteres trifft auf Bina Schröers Inszenierung des dänischen Stücks und Films "Die Kommune" zu, die im Alten Kino Premiere feierte. Denn das Scheitern des hier vorgestellten Lebensentwurfs - acht Menschen in einer zügellosen Kommune - ist der Handlung von vornherein mit auf den Weg gegeben.

Schon in den Aufnahmegesprächen, die Erik (Emanuel Dürr) und seine Frau Anna (Christine Hahn) in ihrer dänischen Villa führen, werden die Unterschiede deutlich: Eltern und Kinderlose, Akademiker und Tagelöhner. Der Wunsch nach Gleichberechtigung birgt dramatische Ironie: "Das hier ist eine Demokratie ohne Boss, kapiert?!", fährt Erik herrisch seine neuen Hausgäste an. Das Hausparlament kann dem Ideal des einstimmigen Konsenses nicht entsprechen, sondern nur mit knappen Mehrheiten Entscheidungen herbeiführen. Diskutiert wird etwa, ob Fahrradständer spießig sind, und auch die "Bier-Amnestie", ein gemeinschaftlicher Bierkassen-Ausgleich, wird so beschlossen.

"Und, wie geht's uns heute bei dir?", fragt Olga (Ulrike Janowetz) immer wieder: Ein Satz mit zwei Pronomen, deren Grenze bald verschwimmt, woraufhin das "Uns" das "Dir" gut gemeint verschlingt. Aber auch ein Satz mit X , denn von Nächstenliebe spürt man letzten Endes gar nix: Olga hat die Angewohnheit, unliebsamen Besitz der anderen zu verbrennen.

Hätte all das mit viel Toleranz und dem Song aus "Hair", "Good Morning Starshine", noch harmonisch ausgehen können, so steht das traute Heim spätestens unter einem schlechten Stern, als Erik sich in seine Studentin Emma (Barbara Hofstätter) verliebt. Emma ist eine 29-Jährige, die dick geschminkt zu den naturbelassenen Hippies stößt, aber Erik meint es ernst mit ihr und trennt sich nach fast 30 Jahren Ehe von seiner Frau Anna.

Thomas Vinterberg, der Autor und Regisseur des Originals, inszenierte dieses jähe Ehe-Aus als unvermeidbare Naturgewalt; auch, weil er selbst seine Frau für die deutlich jüngere Emma-Darstellerin des Films "Die Kommune" verließ. Aus dem doppelten Boden erschließt sich die Perspektive der Handlung: Trennung ist natürlich und menschlich - aber Anna macht den Fehler zu bleiben, sie räumt für die neue Geliebte das Bett, lauscht fortan Sex und Zukunftsplänen des Paares und leidet unter dem gemeinsamen Dach. Die Konstellation ist tragisch, weil kein gesunder Mensch an ein Gelingen glauben würde. Im Film wird der skurrile Versuch dadurch erklärt, dass Anna die andere Frau selbst ins Haus einlud, um an ihren persönlichen Idealen festzuhalten. Die Rolle wurde in der Version des Ebersberger Theater Zwischenton aber umgeschrieben. Hier widerfährt einer passiven Anna alles: Die Kommune passiert ihr, die Trennung passiert ihr - und Emmas Einzug, der im Film mehrheitlich beschlossen wird, gelingt nur, weil Erik ihn erzwingt, indem er mit Rauswürfen droht. Der schöne Schein eines Gemeinschaftseigentums ist da schon endgültig aufgelöst.

Christine Hahn spielt überzeugend die irritierende Rolle der Anna, zuerst mit stoischem Kummer; letztlich bricht der Wahnsinn aber hervor, den das Zusammenleben mit ihrer Nemesis gesät hat. Auch die Nebenfiguren werden gehässiger: "Es kommt nichts zurück außer Scheiße, Pisse und Gülle", klagt Mona (Carin Mockler). Der Zuschauer erfährt nicht, ob das der Lebensform Kommune an sich geschuldet war oder nur der Dreiecksbeziehung, die eine "Belastung für den geistigen Gemeinschaftsraum" darstellt, wie Ditte (Helen Barkhaus) sagt.

Am Ende wurde zwar viel getrunken, gekifft und zu zweit hinter die Bühne verschwunden; aber wenn man das kurz vergisst, gleicht die Gruppe eher einer Sippe, die sich ständig zankt und wieder lieb hat. Damit ist der eine knochenknirschende Spagat gelungen. Dass der andere Spagat, Eriks Mini-Harem, scheitert, zeigt, dass dem Wunsch nach künstlicher Bohème immer auch etwas zutiefst Spießbürgerliches innewohnt.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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