Ebersberg:Gut aussehen, sich gut fühlen

Lesezeit: 3 min

Ein Lachen wider dem Ernst des Lebens: Vier Mal im Jahr finden die Kurse in den Räumen der Ebersberger Kreisklinik statt. (Foto: DKMS Life)

Wie gehen Frauen mit den optischen Veränderungen durch Strahlentherapie um? Beim Kosmetikseminar der DKMS in Ebersberg bekommen Krebspatientinnen kostenlose Tipps

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Acht Frauen sind gekommen. Reihum haben sie an der Tafel in der Mitte des Konferenzraumes Platz genommen. Die Stimmung ist verhalten. Nur ab und zu wechseln die Teilnehmerinnen ein paar Worte miteinander. Skeptisch beäugen sie die Kosmetikspiegel, die vor ihnen aufgebaut sind. An den einzelnen Stühlen hängen Beutel. Darin: Reinigungslotion, Wimperntusche, Lippenstift, Rouge und Kajalstifte, Puder und flüssiges Make-up. Als die Frauen die Produkte vor sich aufreihen, mischt sich Neugierde zu den Zweifeln in ihre Gesichter. Gespannt sehen sie nach vorne zu der Frau, die sie mit herzlichen Worten begrüßt. Einige greifen sich dabei zögernd an ihre Köpfe. Drei von ihnen wickeln sich Tücher herab. Die Haare darunter sind licht und kurz, um die fünf Zentimeter. Unter der Kopfbedeckung der vierten Frau ist - nichts. Keine Haare. Nicht einmal ein paar Millimeter. "Schön ist, was einem selber gefällt", wird die Frau am Kopf der Tafel später sagen.

Etwa vier Mal im Jahr findet ein Seminar der DKMS Life, eine gemeinnützige Gesellschaft der DKMS-Familie, in den Räumen der Ebersberger Kreisklinik statt. Die DKMS ist eine Wohltätigkeitsorganisation, das Motto lautet dabei jedes Mal "look good feel better", also frei übersetzt: Wer schön aussieht, der fühlt sich auch besser. Konkret bedeutet dies, dass Krebspatientinnen Unterstützung erhalten im Umgang mit den äußerlichen Veränderungen, die mit einer Chemo- oder Strahlenbehandlung einhergehen: Die Haare fallen aus, ebenso wie in den meisten Fällen Wimpern und Augenbrauen, oder es treten Hautirritationen wie beispielsweise rote Flecken auf. Mit dem Verlust des gewohnten Spiegelbildes büßen viele Frauen auch einen Teil ihres Selbstwertgefühls ein. Dieses Mal sorgt die Kosmetikerin und Kursleiterin Michaela Maurer dafür, dass die Teilnehmerinnen wieder ein Stück Normalität zurückerhalten.

Keinesfalls animiert das Kosmetikseminar die Krebspatientinnen dazu, die Folgen ihrer Krankheit nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen, indem es den Frauen die perfekten Schminktechniken beibringt. Daran haben auch die Teilnehmerinnen wenig Interesse. Beinahe alle von ihnen schminken sich in ihrem Alltag nicht, auch nicht vor ihrer Erkrankung. "Aber in einer solchen Lage wie jetzt war ich ja auch noch nie", sagt eine Frau, die beim Make-up eher ungeübt ist, und zeigt auf ihr Gesicht. Keine Wimpern. Keine Augenbrauen.

"Die Augenbrauen bilden den Rahmen eines jeden Gesichtes", erklärt die Kosmetikerin Michaela Maurer. An einer Teilnehmerin führt sie vor, wie das Aufzeichnen mit einem farblich passenden Augenbrauenstift funktioniert, indem sie zunächst drei Orientierungspunkte ausmisst: Die 31-Jährige legt den Augenbrauenstift parallel am Nasenflügel an, dort ist der Anfangspunkt. Für den höchsten Punkt hält sie den Stift am Nasenflügel fest und verschiebt ihn am oberen Ende, bis er durch die Pupille verläuft. Zum Markieren des Brauenendes schiebt Maurer den Stift weiter bis zum äußeren Augenrand. Wichtig sei nun, dass man die Augenbraue in vielen kleinen und feinen Strichen malt, erklärt Maurer. Damit kommt man optisch einer natürlich aussehenden Braue am nächsten.

Die übrigen Frauen sehen gespannt der Handfertigkeit von Maurer zu. Als eine Augenbraue fertig ist und die Teilnehmerinnen das Ergebnis begutachten, staunen sie nicht schlecht. "Das sieht toll aus", sagt eine. "Faszinierend!" urteilt eine andere über das Gesicht ihrer Sitznachbarin, das nun ganz anders aussieht und gleichzeitig ganz gewöhnlich. "So ist man einfach kompletter", sagt wenig später die Frau, die sich als ungeübt im Umgang mit Make-up bezeichnet, nachdem sie auf die nackte Stelle über ihren Augen zwei Augenbrauen gemalt hat. Dass die Frauen die Kosmetikprodukte im Seminar selbst ausprobieren, ist Teil des Konzepts. So können sie die Tipps der Kosmetikerin gleich anwenden und bei Schwierigkeiten noch einmal nachfragen.

Neben der Fachfrau und den acht Teilnehmerinnen ist auch Edith Niederstebruch dabei, die sich um die Organisation des Seminars kümmert. Seit 19 Jahren arbeitet sie als OP-Pflegerin in der Ebersberger Kreisklinik. "Ich sehe die Frauen immer während und nach ihren Operationen. Hier kann ich sie nun endlich auch mal anders erleben", erzählt sie - der Grund für ihr Engagement. Genau wie die Kosmetikerin Michaela Maurer macht auch Niederstebruch die Arbeit im Kosmetikseminar ehrenamtlich. Für die Krebspatientinnen ist die Teilnahme daher kostenlos; die Make-up-Produkte sind allesamt Spenden von Kosmetikfirmen.

Zum Ende des Seminars kommt Cornelia Höß vorbei, sie ist die Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Ebersberg. Die meisten Teilnehmerinnen kennen sie von ihren Behandlungen. "Ich würde mich freuen, wenn Sie mit einem etwas größeren Lächeln hier rausgehen, als sie reingekommen sind", sagt Höß zu den Frauen. Man merkt anhand ihrer Wortwahl, dass sie das Kosmetikseminar als Teil der Krebstherapie sieht. "Wir betreuen Menschen und nicht nur ein Organ."

Der nächste Termin für das Kosmetikseminar der DKMS Life für Krebspatientinnen ist für den 10. Oktober 2017 angesetzt. Die Anmeldung hierfür und für alle weiteren Termine läuft über die Frauenarztpraxis von Isolde Gröll in Grafing, Telefonnummer (08092) 85 04 85.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: