Ebersberg:Grenzen im Kopf überwinden

Lesezeit: 2 min

Regisseur Behrooz Karamizade und Claudia Pfrang, Geschäftsführerin des Katholischen Kreisbildungswerks, reden über den Kurzfilm des Iraners. (Foto: Hinz-Rosin)

Behrooz Karamizade zeigt einen Kurzfilm über Gefühle auf der Flucht

Von Sebastian Hartinger, Ebersberg

"Einen anderen Blick auf das Thema Flucht, der auf Stereotype verzichtet", wollte der Helferkreis Ebersberg am Dienstag den Zuschauern geben. Aus diesem Grund zeigte der Regisseur Behrooz Karamizade im Alten Kino in Ebersberg seinen preisgekrönten Kurzfilm "Bahar in Wonderland". Anschließend konnte das Publikum mit dem gebürtigen Iraner, der zurzeit in Berlin lebt, noch diskutieren. "Bahar in Wonderland" aus dem Jahr 2013 nahm an mehr als 100 Filmfestivals teil und wurde 17 mal ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Menschenrechts-Filmpreis 2014.

Die Geschichte handelt von einem Mädchen namens Bahar (Kani Mohammadi), die auf der Flucht von Syrien nach Deutschland von ihrem Vater (Korkmaz Arslan) getrennt wird. Um ihren Ängsten zu trotzen, entwickelt sie ihre ganz eigene Methode: Sie schließt die Augen in der Hoffnung, unsichtbar zu werden. Angekommen in Deutschland, stellt sie aber schnell fest, dass die Fremden, vor denen sie sich fürchtet, selber Ängste haben.

Karamizade, der selbst mit sieben Jahren sein Heimatland verlassen musste, wollte mit diesem Kurzfilm zeigen, "was mit Kindern in Fluchtsituationen passiert". Da er dies selbst erlebt hat, habe er einen viel stärkeren Bezug dazu, erklärt er. "Meine Filme sind nicht politisch, sondern sollen einen Blick auf die Gesellschaft lenken. Ich will mit deren Hilfe Fragen beantworten und die Grenzen in den Köpfen durchbrechen", sagt er. Damit wolle er den Vorurteilen, die aus Unsicherheit und Ängsten entstehen, entgegenwirken.

Für die Sorgen vieler Bürger im Land zeigte er Verständnis. "Ich verstehe die existenziellen Ängste der Menschen". Man müsse jedoch differenzieren. Es gebe welche, "die Macht haben wollen" und die Sorgen der anderen missbrauchen. Einer der Gründe für das Entstehen dieser negativen Gefühle liegt seiner Ansicht nach in unserem Umfeld. "Wir leben in einer Gesellschaft, die uns sagt, dass wir nicht gut genug sind." Das Wichtigste ist, dass der Mensch mit sich im Reinen ist", meint er.

Als er in den 80er Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, lebten sie zuerst in Ostdeutschland. Von seinem ersten Besuch im Westen ist ihm vor allem eine Szene in Erinnerung geblieben: "In Westberlin habe ich zum ersten Mal zwei Menschen wild miteinander rumknutschen sehen", berichtet Karamizade. Sein Vater habe ihm daraufhin erklärt, dass der eine ein Zahnarzt sei, der die andere Person wegen Zahnschmerzen behandele.

Angekommen in Westdeutschland, konnte er eine katholische Grundschule besuchen. Bei seinem ersten Kirchenbesuch seien ihm die Kinder aufgefallen, die beim Pfarrer anstanden, um etwas zu bekommen. "Ich habe damit gerechnet, Schokolade oder Süßigkeiten zu bekommen", erzählt er. Stattdessen wurde ihm eine Oblate in den Mund gesteckt. Diese habe ihm nicht so geschmeckt, erklärt der 37-jährige. In der Schule habe er diejenigen Kinder beneidet, die richtige Rucksäcke hatten. "Wir sind mit den Aldi-Tüten in die Schule gegangen." Irgendwann hätten sie zwar auch Rucksäcke bekommen, aber die seien nicht so schön gewesen. "Man lernt, dass materielle Dinge nicht so wichtig sind", erklärt er.

Heimat spielt für Karamizade eine große Rolle - nicht nur im Film. "Die jungen Männer, die zu uns kommen, sind entfremdet." Ohne Familie fänden sie hier keinen Halt. Er selbst unternahm seine erste Reise in den Iran nach 23 Jahren. Zurzeit arbeitet Karamizade an seinem Debütfilm. Dieser soll von seiner Flucht handeln und sich mit der Frage beschäftigen, wie es sich für Flüchtlinge anfühlt, in ein anderes Land zu kommen.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: