Ebersberg:Frechheit siegt

Lesezeit: 3 min

Julian Dehnelt und Benjamin Schreiner gewinnen mit einer philosophischen Rede den Jugendkulturpreis.

Von Anja Blum, Ebersberg

Bei der Auslobung seines Jugendkulturpreises hatte der Kreisjugendring eigentlich alle denkbaren kreativen Ausdrucksformen bedacht. Die Kategorien reichten von den Klassikern wie Malerei, Lyrik und Bildhauerei über Fotografie und Video bis hin zu Musik, Tanz oder Handarbeit. Und doch gab es diesmal einen Beitrag, der alle diese Sparten sprengt: eine Rede. Julian Dehnelt und Benjamin Schreiner, beide 16 Jahre alt, hatten sie in Form eines Videos eingereicht, bei der Preisverleihung am Freitagabend in der Volksfesthalle gab es eine Liveversion - und wohlverdient den ersten Preis.

Benjamin Schreiner trug dem Publikum, etwa 50 Menschen allen Alters, die Gedanken des Duos ohne Skript vor. Selbstbewusst im Auftreten, selbstkritisch im Inhalt - "Was kann Ihnen so ein Grünschnabel schon erzählen?" - spießte er das Thema des diesjährigen Kulturpreises auf. Es lautete "Alle Menschen sind..." und verleitete dazu, Antworten zu finden. Laut Schreiner und Dehnelt jedoch kann es diese nicht geben. "Alle Menschen sind gleich? Stimmt das?", fragte der junge Redner die Zuhörer, um es gleich selbst zu verneinen. Die Menschen unterschieden sich deutlich, sei es in ihrem Charakter oder allerlei anderer Hinsicht. Selbst vor dem Gesetz seien nicht alle gleich: "Denken Sie nur an Bernie Ecclestone!" - und sogar die Sterblichkeit sei in naher Zukunft vielleicht schon gar nicht mehr allen gemein. "Insofern muss jeder für sich selbst entscheiden, wie und was er sein möchte." Aber das sei ja nicht weiter schlimm, ganz im Gegenteil: "Wären wir alle gleich, wäre das doch furchtbar langweilig."

Von dieser Ansprache zeigten sich die Juroren begeistert. Der freche, witzige Ansatz, das Thema philosophisch auseinanderzunehmen und zu widerlegen, habe sie überzeugt, sagte Künstler Andreas Mitterer stellvertretend für das Gremium, das neben ihm aus Babsi Lux vom Alten Kino, Geräuschemacher Max Bauer, der Künstlerin Anne Liebegott und Buchhändler Sebastian Otter bestand. Zudem besteche das Video der Rede mit einer "optimalen Dramaturgie und technischen Umsetzung".

Die Preisträger: Theo Oswald, Elias Ruchay, Leon Inkofer (hinten, 3. Platz), Julian Dehnelt und Benjamin Schreiner (1.) und Lena Dannheuser (2.). (Foto: Hinz-Rosin)

Insgesamt waren diesmal acht Beiträge eingereicht worden: Neben der Rede konnten die Gäste vier Bilder, zwei Videos und eine musikalische Hymne bewundern. "Lauter beeindruckende und sehr unterschiedliche Werke", sagte Mitterer. Für das nächsten Mal wünsche sich die Jury nur, dass etwa 393 Beiträge mehr eingingen. "Unter 400 machen wir es nämlich nicht mehr", scherzte er. Gefreut habe man sich auch über eine Einreichung außer Konkurrenz: Holger Unzeitig, ein Maler mit geistiger Behinderung, hatte ein auf den zweiten Blick sehr originelles Blumenbild abgegeben, das allerdings aufgrund seines Alters, Unzeitig ist 40 Jahre, nicht bewertet werden konnte. "Ich finde aber dieses Bild ganz phantastisch, es sollte in einer Galerie hängen", sagte Mitterer.

Den zweiten Preis vergaben die Juroren an Lena Dannheuser, die eine so schwungvolle wie zarte Kreidezeichnung angefertigt hatte. "Diese Arbeit ist sehr anspruchsvoll, Du hast einen sehr freien Strich", sagte Mitterer. Das beeindrucke vor allem auch angesichts des Alters der Künstlerin, sie ist gerade einmal 13 Jahre jung. Überzeugt habe außerdem die freie Interpretation des Themas: Dannheusers Zeichnung zeigt, schemenhaft angedeutet, vier mondäne Frauen, vielleicht Models, mit großen Hüten, extravaganten Frisuren, Kleidern und viel Schmuck. Über ihnen schwebt ein verschnörkelter Kronleuchter. Dichter dran an der Aufgabenstellung ist der dritte Preis, ein Video mit dem Titel "Be yourself" von Leon Inhofer, 13, Theo Oswald, ebenfalls 13, und Elias Ruchey, zwölf Jahre alt. In ihrem Freerunningfilm zeigen die Jungs beachtliche sportliche Leistungen - und, indem sie verschiedene Charaktere darstellen, dass die Menschen unterschiedlich sind. Die Botschaft: "Nur in unserer Einzigartigkeit können wir uns ergänzen." Mitterer bescheinigte den Machern "ein tolles Konzept", Witz und bemerkenswertes technisches Können. "Unsere einzige Kritik ist, dass der Film zu lang ist."

Die jüngste Teilnehmerin ist Leni Glonner. Ihr Werk entstand nach einem Besuch bei Flüchtlingen in Grafing und besteht aus einem Zitat der Siebenjährigen und einer Zeichnung. "Es ist nicht ungerecht, auf der Wiesn keine Limo zu bekommen. Ungerecht ist, aus Deutschland rausgeschmissen zu werden, im Meer zu ertrinken oder durch halb Afrika zu laufen." Jeder der drei Punkte ist mit einem Bild illustriert. Etwas älter, nämlich 13, ist Lucie Thurner, die meint: "Alle Menschen sind - einzigartig und zusammen eine Einheit". Dazu hat sie ein hübsches Bild afrikanischer Krieger mit bunten Schildern und Speeren gemalt. Eine weniger ernste, vielmehr schwarzhumorige Collage aus Papier und Karton hat Julia Truxa, 24, eingereicht. Laut ihr sind alle Menschen "am Anfang unbeschrieben", versinnbildlicht durch ein weißes Blatt Papier, und "am Ende beschrieben". Daneben hängt an einer Schlaufe ein kleiner Zettel, auf dem eine Nummer steht. Ein Anhängsel wie aus dem Leichenhaus, am großen Zeh eines Verstorbenen befestigt. Das zweite Video stammt von Kira Dreßel, 18, Nina Berger, 17, und Lucas Weidlich, 16. Sie zeigen in einer Diashow Fotos ihrer selbst, die Geburt, Tod und verschiedene Gemütszustände darstellen. Eine große Portion Lokalkolorit brachte der Beitrag von Felix und Benedikt Michael in die Preisverleihung. Die 20 und 23 Jahre alten Brüder meinen, dass die Begeisterung für sportliche Emotionen alle Menschen eint. Deswegen haben sie eine Hymne auf den TSV Ebersberg komponiert und aufgenommen. Die Botschaft des rockig-getragenen Stücks: "Ich bin ein Eber - weil ich weiß, du fängst mich auf". Jurorin Babsi Lux bekommt "davon immer eine Gänsehaut", und wahrscheinlich ist sie damit nicht allein.

© SZ vom 22.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: