Ebersberg:Fleißige Förster in "altgermanischer Wildniß"

Lesezeit: 4 min

Auf seinen Reisen durchs Königreich Baiern anno 1816 kommt der Gelehrte Ignaz Joseph von Obernberg auch in den Landkreis

Von Rita Baedeker, Ebersberg

"Ein wackerer Oekonom daselbst! Er und sein zweckmäßig gewählter Büchervorrat sind eine Lichterscheinung in dem Dunkel, welches über dem Landvolke seiner Umgebung liegt, und (wo) vorher noch tiefe Finsterniß war!" Mit solch überschwänglichen Worten lobt Ignaz Joseph von Obernberg den Zornedinger Wirt und Posthalter Anton Grandauer. Seine Eindrücke hat der adelige Hofrat und Lokalhistoriker in seinem 1816 erschienenen mehrbändigen Tagebuch "Reisen durch das Königreich Baiern" festgehalten. Band 2 ist dem heutigen Landkreis Ebersberg gewidmet.

Die in Briefform geschriebenen Texte sind in blumiger Sprache verfasst und weitschweifig; dennoch belässt es der in 1761 in Amberg geborene Autor, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, nicht bei huldigender Schwärmerei. Als Jurist, Kanzleidirektor und zeitweise Vorstand der Spezial-Staatsschulden-Tilgungskommission sowie Herausgeber einer Wochenzeitung analysiert er fachkundig Land- und Forstwirtschaft, gibt detaillierte Informationen zu Geografie und Geschichte und schweift gelegentlich auch ab in allgemeine philosophische Betrachtungen. Die Lektüre erfordert Geduld, ist aber dennoch unterhaltsam und bietet eine Fülle an Historie und Histörchen.

Der Weg des Gelehrten führt von München nach Osten. An Keferloh findet er allenfalls den Viehmarkt an jedem 1. September bemerkenswert. "Traulich drücken sich Freunde, die Jahre lang getrennt waren, die Hände". Nach dem Aufenthalt in Zorneding, welches ihm dank Grandauer besonders fortschrittlich erscheint, wendet er sich Pöring zu, dem einstigen Edelsitz, die lokale Sage von der weißen Bärin, welche im Forst erlegt worden sei und dem Ort den Namen gegeben habe, erscheint ihm berichtenswert.

Der in Öxing, einem Grafinger Ortsteil geborene Landschaftsmaler Max Joseph Wagenbauer war ein Zeitgenosse des Autors. (Foto: Repro: Christian Endt)

Der Forst beschäftigt ihn auch nach seiner Ankunft in Ebersberg. So berichtet er von der Legende um den von Graf Sieghart um 880 nach Christus während einer Jagd aus der Gegend vertriebenen wilden Eber, der den Anstoß gab zur Gründung der Stadt. Er befasst sich auch ausführlich mit dem Zustand des Waldes, der, wie er kritisch anmerkt, einer "altgermanischen Wildniß" gleiche.

Bei der Route, die er sodann Richtung Grafing einschlägt, übermannt ihn die Begeisterung über diesen "Seitenweg": "Überraschend eröffnet er (der Weg!) Ihnen einen Prospekt, der Sie bezaubern muss", schreibt er. "Eine schöne geräumige Plane von sanften Hügeln zirkelförmig umgeben, macht den Schauplatz aus. Der Kulturfleiß hat sie mit blühenden Fluren bekleidet, die Natur mit flüchtigen Bächen bewässert und mit artigen Baumgruppen malerisch geschmückt." Vom Autor erfährt der Leser dann auch noch, dass der Marktflecken Grafing einst Wengern (Weingärten) und Hopfengärten besaß. Und erst die Berge! "Jenes schäumende Weiß über dem blauen Bande, diesen lachenden Vorgrund im prächtigen Theater täuschend zu mahlen, wäre eine große Aufgabe." Nun ja, der haben sich ja auch zahlreiche Maler gestellt, vor allem Obernbergs Zeitgenosse Max Joseph Wagenbauer hielt das idyllische Bild mit Farben und Pinsel fest.

Nach ein paar moralisierenden Bemerkungen zur römischen und allgemein menschlichen Dekadenz "korrigiert" er auch noch ein historisches Gerücht über den von den Schweden gelegten Brand, der sämtliche Urkunden der Stadt Grafing zum Opfer fielen. "Allein, nicht alles muß man einem Feinde aufbürden. Ein boßhafter Nachzügler war's, ein Schmiedknecht, der auf das Haus seines ihm verhaßten Gegners Pechkränze warf und so den ganzen Ort in Asche legte." Ignaz indes irrte sich: Die besagte Brandstiftung des Schmiedknechts ereignete sich nach der Brandschatzung durch die Schweden, sagt Archivar und Museumsleiter Bernhard Schäfer.

Die nahe gelegenen Schlösser Oberelkofen, Wildenholzen, Zinneberg und Egmating erwähnt der Autor nur kurz. Umso mehr ist er angetan von der einstigen Schlossherrin, Afra von Pienzenau, einer "edlen Person von seltener Gemüthlichkeit". In tiefer Schwermut über den Tod ihres Gatten habe sie sich vom Schlossturm gestürzt. Ihr ausführliches Testament von 1560 erscheint ihm ungewöhnlich wohltätig; und so gibt er es in Gänze wider.

Nun geht es gen Wasserburg; und schon auf Höhe von Steinhöring, der zweiten Poststation nach Zorneding, registriert Obernberg "mehr Leben und Kultur". In Wasserburg, dessen Geschichte er viele Seiten widmet, fällt ihm die "seltsame Lage" der Stadt auf. "Im Kostüme der Ritterzeit stand die Burg vor uns". Erstaunlich in seinen Augen auch die Fruchtbarkeit der Wasserburger. Andreas Baader, Perückenmacher, der von 1716 bis 1769 lebte, habe mit vier Gattinnen 47 Kinder gezeugt. Ein weiterer Bürger brachte es immerhin noch zu 31, von denen zwölf überlebten - die Namen der Frauen, welche die Hauptlast der reichen Kinderschar trugen, sind ihm allerdings keine Erwähnung wert.

Schließlich wendet sich der Autor nach Norden und reist über Hohenlinden - ein an sich "unbedeutendes Dorf", wäre da nicht die Schlacht des Jahres 1800 -, weiter nach Anzing. Und wieder widmet er sich dem Forst und dessen wirtschaftlicher Nutzung. "Ein frischer Wald. . . bekleidet die Höhe und pranget im Innern mit nützlichen Pflanzungen frischer Laubgehölze, welche dem Fleiße des königlichen Revierförsters, Herrn Georg Dillis, zu Anzing Ehre machen." Obernberg spricht sich für eine Privatisierung des Waldbesitzes aus. "Wen überzeugt nicht die Erfahrung von der großen Wirkung des Eigenthums? Der Bauer wühlet im Gemeingut herum, und reißt ohne Rücksicht auf die Zukunft für den Augenblick an sich, was er erhaschen kann, er geht auf Raub aus. Dagegen schont er sein heimathliches Besitzthum sorgfältig für sich und seine Nachkommen", argumentiert der Gelehrte.

Schließlich kommt er auf das im Ausbau befindliche Straßen- und Wegenetz zu sprechen und preist die Vorteile des neuen Fahrwegs nach Norden. "Da vorhin ein voller Tag kaum hinreichte, um eine Klafter Holz nach Hause zu schaffen, wird diese in 1 Stunde dahin gefahren". Nur Schwaben hat seiner Ansicht nach die "elendsten Wege von und in alle Weltgegenden". Dagegen lobt er den Landrichter von Ebersberg, (Heinrich Ignaz) Sartori, "der in einigen Jahren zustande brachte, was durch Jahrhunderte ermangelt hatte." Nun könne er in seinem "patriotischen Herzen die Wonne fühlen, bey den ihm anvertrauten braven und von ihm belobten Landgerichts-Unterthanen ein dankbares Andenken sich gegründet zu haben". Eine Wonne, die jeder Kommunalpolitiker gern mit ihm teilen würde.

In seinem Schlusswort malt der hochgebildete und optimistische Autor eine - wenn man so will - rosige Zukunftsvision, passend zur Jahreswende: "Mögen Sie auch hier sich überzeugen, daß vieles sich bereits verbessert hat, daß die Morgenröte eines noch schöneren Tages für Land- und Volkskultur anbricht".

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: