Ringsgwandl beim Kulturfeuer:Einer von uns

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Ringsgwandls Band: Musiker vom Feinsten. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Georg Ringsgwandl ist schon lange nicht mehr der wilde Paradiesvogel,er kommt als legerer Rocker daher, der das Leben längst kapiert hat

Von Carolin Fries, Ebersberg

Es war etwa in der Mitte der zweiten Programmhälfte, da nahm Georg Ringsgwandl den Hut ab und der Saal grölte. Die kurz geschnittenen Haare standen dem Liedermacher frech zu Berge, plötzlich sah er aus wie Rufus Beck. Er tauschte die legere Kopfbedeckung gegen einen Sonnenhut, von dessen Krempe ihm blonde Wollfäden bis zu den Schultern hingen und die Menge jubelte. Zuerst Tonmalereien am Keyboard, dann einzelne lautmalerisch begleitete Sätze wie "Mein Mann hat Parasiten" oder "Esse ich genug Ballaststoffe?", Grummeln, und schließlich der von den Bandkollegen dreisprachig geechote, regelrecht ins Mikro geflötete Refrain: "Sei wachsam Hennaoarsch". Es war, als hätten die knapp 550 Besucher am Donnerstagabend nur auf diesen Moment gewartet: Endlich hatte der geliebte schräge Vogel seine Flügel ausgebreitet und begann seinen wilden Flattertanz.

Doch es blieb bei der einen Szene. Keine Frauenkleider, keine bunten Leggings, nicht einmal rote Lippen, mit denen Ringsgwandl die bayerische Liedermacher-Szene in seinen Vierzigern aufgemischt hat, nachdem der Kardiologe beschlossen hatte, den OP-Saal gegen die Bühne zu tauschen und künftig lieber Kostüme denn Kittel überzuwerfen. Der geschätzte Exzentriker und Selbstdarsteller kam beim Ebersberger Kulturfeuer unerwartet bodenständig daher, wenn auch in keiner Weise bieder.

Das Publikum hätte ihn gerne "a bisserl hergerichtet" gesehen

Der gebürtige Bad Reichenhaller, den es für das Medizinstudium bis nach Kiel verschlagen hat (worunter er bis heute leidet), steht vielmehr symbolisch für den Ausbruch aus Konventionen und Zwängen: Der Ringsgwandl, der hat sich getraut! Logisch, dass sich viele nach dem Ringsgwandl von einst zurücksehnen, wie eine Besucherin, die noch in der Pause die Hoffnung hatte, den Künstler in Leggings oder wenigstens "a bisserl hergerichtet " erleben zu dürfen. Doch der macht auch mit 67 Jahren, wonach ihm ist - auch auf die Gefahr hin, nicht alle Erwartungen zu erfüllen.

Anstatt der wuiden Show gibt er zur Ebersberg-Premiere den rockenden Frührentner in Jeans und Hemd, der das Leben kapiert hat. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Duschgel überschätzt wird. Dem Vater dreier erwachsener Töchter, der wahlweise am Staffelsee und in Untersendling wohnt, reichen Wasser und Bürste. Er ist nicht mehr Drama-Queen, sondern "der Bremsklotz der Konjunktur".

Weniger ist mehr, heißt die Zauberformel, die unbestritten funktioniert. E-Gitarre, Schlagzeug, Bass - mehr braucht es nicht für den perfekten Sound. Der Herr Doktor mischt gekonnt eine Portion Understatement dazu, erwähnt, dass er sich in depressiven Phasen wünscht, Gitarre spielen zu können. Tatsächlich wirkt es biweilen so, als stünde der Vater mit seinen Buben auf der Bühne und probiere einfach mal was aus.

Die Tanzeinlagen: Eine Mischung aus Ballett und Udo Lindenberg

Doch die Buben sind erstklassige Musiker. Christian Diener an der Bass-Gitarre und Christoph Buse am Schlagzeug bereiten klanglich das Feld, auf dem vor allem der vielseitige Daniel Stelter an E-Gitarre und Mandoline beliebig spielen durfte. Er dominierte mit schnellen Läufen und Ideenreichtum in den Soli den Sound, einem Mix aus Blues, Punk und Rock. "Er ist einer der Besten", sagte Ringsgwandl über Stelter, den er 2009 bei CD-Aufnahmen kennenlernte. Auch wer die bairischen Texte nicht verstand (und das waren schon ein paar) - das Konzert war es allein musikalisch schon wert. Auch die Tanzeinlagen des Herrn Doktor haben sich gelohnt: eine Mischung aus Ballett und Udo Lindenberg.

Wer aber verstand, was dieser harte Kerl mit erstaunlich zarter Seite da vorne von sich gab, der durfte sich freuen: Über Gschichterl wie die vom zerrissenen Unterhoserl, welches er beim Dauerlaufen am Gehsteig findet, oder über dahoam, wo nur mehr die sterben, die ganz viel Glück haben. "Deppert, aber munter" hat Ringsgwandl die Mischung aus "frischem Gwachs und alten Reißern" überschrieben und dabei immer wieder mühelos auch die höheren Tonlagen erklommen. Die Botschaften des mehrfach ausgezeichneten Künstlers sind nicht neu, aber wahr: "Irgendwie werd's scho wern" und "Alles halb so schlimm".

Lediglich eine Frage blieb offen: Woher hat Ebersberg das Geld für so einen edlen Schuppen wie den Alten Speicher her? Weil die Antwort ausblieb, war für Ringsgwandl klar: "Die ham sich des Geld zamgrattelt."

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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