Ebersberg:Eine besondere Form der Integration

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Der senegalesische Künstler Bakary Sarr lebt als Asylbewerber in Ebersberg. Im vergangenen Jahr hat er mehrere Gemälde angefertigt, die er nun in einer Ausstellung mit dem Titel "Identität" im Landratsamt präsentiert

Von Jessica Morof, Ebersberg

Ein kräftiges Sonnengelb dominiert das abstrakte Gemälde. Strahlend hell leuchtet es in der Mitte. Nach außen hin vermischt es sich mit einem sanften Orange, um schließlich in ein knalliges Mohnrot abzustrahlen. "Rot und Gelb stehen für Afrika. Es sind sehr starke, heiße Farben", erklärt Bakary Sarr. Sie zeigen seine Herkunft, seine Tradition. Gelb wie die Sonne, die auf die Savanne Senegals brennt, und wie die Strände an den Küsten des westafrikanischen Staates; rot wie die Erde der Steppe und das Strahlen des Abendhimmels auf dem afrikanischen Kontinent. Und Blau? Was bedeutet diese Farbe für den Künstler? "Die Probleme in der Welt; zum Beispiel auch das Wasser."

"Hoffnung" lautet der Titel dieses etwa zwei auf ein Meter großen Acrylgemäldes. Es ist eines von 24 Werken der Ausstellung "Identität", die der Maler im Foyer des Landratsamts Ebersberg zeigt. Die Vernissage feierte Sarr mit mehr als 140 Besuchern, mit Landrat Robert Niedergesäß und Bürgermeister Walter Brilmayer .

"Kunst ist für mich Therapie", sagt der Maler, der 1984 in Dakar, Senegal, geboren wurde und jetzt als Asylbewerber in Ebersberg lebt. Im Stadtarchiv unterstützt der Künstler, der an der Akademie der Bildenden Künste in Dakar sowie an der Wissenschaftlichen Hochschule für Grafik in Brüssel studiert hat, inzwischen die Leiterin Antje Berberich. Seit einem Jahr arbeitet er zudem in einem provisorischen Atelier im Rathaus an den Gemälden, die er nun im Landratsamt ausstellt. "Wenn ich nicht male, bin ich nervös", gibt er zu.

An diesem Abend spricht er kaum über seine Flucht nach Deutschland; nur ein Hinweis: "Es war nicht immer einfach." Seine Bilder aber berichten ausführlich von seinem Weg, seinen Erfahrungen, seiner afrikanischen Herkunft. "Ich zeige damit meine Identität." Es ist eine farbenfrohe, kräftige Identität mit intensiven Farben und Kontrasten.

Die Farbübergänge wechseln zwischen sanften Übergängen hier und harten Schnitten dort. In einigen Werken, wie den drei Leinwänden mit dem Titel "Abstrakte Strukturen", arbeitet der Künstler auch mit weißen Lücken, die sich scharf von den Farben abgrenzen. Meist sind sie verziert mit Zahlen oder Buchstaben; manchmal mit Wörtern: "compris" ist da beispielsweise in einem Fleck zu lesen, "verstanden".

In den meisten Werken dieser Ausstellung verwendet Sarr einen auffälligen Materialmix. Immer wieder nutzt er Stücke einer Leinwand, die er zusammengerollt oder in Falten gelegt mit dicken Farbschichten auf dem Untergrund befestigt. An anderen Stellen halten dünne Schnüre die Rollen fest wie eine überdimensionierte Naht. Geben sie Halt oder halten sie gefangen? Zeigen sie die Verletzung oder gar den Verband? Häufig tauchen diese Nähte in den Gemälden auf und lassen - mit dem Wissen um die Vergangenheit des Künstlers - schnell eine Assoziation mit Narben, Wunden und Schmerz aufkommen. Doch dieser Schluss wäre wohl zu einfach. "Das ist meine Tradition", erklärt Sarr. "Es steht für Verbindung; es hält zusammen." Genau wie die Farben, die manchmal verwischend "die Integration" zeigen, in anderen Fällen aber hart aufeinanderprallen.

Meist kann der Besucher der Ausstellung nur erahnen, was der Künstler mit den abstrakten Motiven darstellen möchte. Doch manchmal - so scheint es zumindest - ist das Thema des Bildes klar zu erkennen. Das Werk "Heiliger Knoten" beispielsweise erinnert mit seinen großflächigen Grün- und Blautönen sofort an tiefe, weitläufige Gewässer. Der Blick auf schwarz vernähte Streifen und ein segelartiges hellbraunes Rechteck lassen die realen Bilder der vergangenen Monate vor dem inneren Auge erscheinen: große Kähne sowie kleine Schlauchboote voller Menschen, die auf dem Meer treiben.

Da Bakary Sarr als Asylbewerber durch den Verkauf der Werke kein Geld erhalten darf, hat er sie Antje Berberich geschenkt. Nach der Ausstellung möchte diese sie verkaufen. Mit dem Erlös unterstützt sie den Helferkreis Ebersberg und kommt für Farben und Leinwände auf. Und freut sich auch immer über Spenden.

Die Ausstellung befindet sich bis Dienstag, 6. Oktober, im Foyer des Landratsamts Ebersberg und ist montags bis donnerstags von 7.30 bis 17 Uhr sowie freitags von 7.30 bis 12.30 Uhr geöffnet.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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