Ebersberg:Ein Strom von Klängen

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Am International Jazz Day, der im Alten Kino begangen wird, ist Ebersberg mit Ulan Bator verbunden - und via globaler Kommunikationstechnik auch mit dem Rest der Welt

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Jazz ist immer "very local". Im Prinzip geht es gar nicht lokaler. Denn die Wirkung von Musik entfaltet sich stets inmitten eines Menschen. Zuerst in seinem Gehörgang, von dort sich fortsetzend in seinem Denken und seinen Gefühlen, schließlich mündend in Bewegungen. Anders als andere musikalische Stilrichtungen ist Jazz zudem besonders gut geeignet, Grenzen zu überwinden, weil er seine jeweilige kulturelle Identität als Wurzel versteht, nicht als Blüte. Diese Wurzeln nähren sich aus Böden in aller Welt, und die Blüten, die sie treiben, scheren sich etwas um Territorien und Kategorien.

Der jährliche "International Jazz Day" bringt diese wundersamen Eigenschaften zur Wirkung. Er bedient sich dabei nicht nur des allumfassenden "Spirit of Jazz", sondern auch der globalen Kommunikationstechnologie. Via Internet verströmen Musiker und Konzerte rund um den Erdball ihre Klänge und Gedanken, lassen auch jene teilhaben, die räumlich getrennt oder in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind. "Streaming" und "sharing" verlassen zu diesem Anlass ihre technisch-ökonomische Worthülse und werden zu kulturellen Errungenschaften. Auf diesem Weg wird aus dem "very local" dann mühelos ein "very international" - wie der "Ebersberger International Jazzday" am Sonntagabend programmatisch überschrieben war, veranstaltet vom Verein Altes Kino Ebersberg und der Musiker-Initiative "jazz.grafing". So war auch das Alte Kino in Ebersberg eingewoben in den Strom von Klängen, der am "International Jazz Day" die Welt umfloss. Nach Zahlen vermutlich etwas weniger präsent als beim Konzert in der diesjährigen Gastgeber-Stadt Havanna auf Kuba, nach der Intensität der Musik und der Leidenschaft der Musizierenden und der Begeisterung der Besucher aber gleichauf. Zu den Musizierenden gehörte neben der Studentenband Los Bandidos des Bassisten und Professors an der Münchner Musikhochschule, Paulo Cardoso, eine Riege exzellenter Instrumentalisten

Auch Jazzpianist Claus Raible fand sich bei der von Martin Zenker moderierten Jam-Session ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weil erstens eine Veranstaltung wie diese eben kein "besser, schöner, größer" verlangt - und weil man, zweitens, eben nie weiß, wer sich alles am heimischen Monitor oder beim Blick aufs Handy-Display so alles eingeklinkt hat in die Gigs und Sessions an der Eberhardstraße. Ein bisschen im Zwiespalt befindet sich der online Lauschende und Beobachtende schon. Zwar erlaubt die Qualität moderner Übertragungstechnik ungetrübten Klanggenuss und liefert mit Bilder reichliche Impulse für die Fantasie. Was sie nicht zu überbrücken vermag, ist die Berührung der anderen Sinne, die einen Konzertbesuch oder ein Mittanzen zum Gesamtkunstwerk machen. Ein nicht neues Dilemma indes, das sich beim Neujahrskonzert im Radio und bei Urbi et Orbi im Fernsehen gleichermaßen ergibt.

Musikalisch betrachtet, waren vor allem die Einflüsse der mongolischen Kultur ein berührender Impuls bei diesem Jazzfest, die sich in den Improvisationen der Bandidos wiederfanden und einem erweiterten Ensemble aus Musikern und Dozenten, die in jüngster Vergangenheit am Goethe Musik Labor Ulan Bator unterrichtet haben, darunter die Schlagzeuger und Percussionisten Max Brüderl, Frank Haschler und Rick Hollander, die Saxofonisten Joachim Jann, Claus Koch, Michael Lutzeier und Stefan Zenker, Sängerin Anna Lauvergnac, die Pianisten Claus Raible und André Schwager sowie Bassist Martin Zenker als künstlerischer Kopf und Moderator.

Drei Saxofone und ein Kontrabass (von links im Bild): Stefan Zenker, Tenorsax, Martin Zenker, Kontrabass, Claus Koch, Tenorsax, und Michael Lutzeier, Baritonsax, beim Jammen im Alten Kino. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wer ein Beispiel dafür sucht, wie sich die universelle Sprache der Musik ständig erweitert, wie sie lokale Dialekte integriert und - ohne Wörterbuch - verstehbar macht, der hat es im Alten Kino einmal mehr und mustergültig erlebt. Man darf sich wirklich schon auf den Beitrag freuen, den sechs mongolische Musikstudenten liefern werden, deren Reisekosten zu EBE-JAZZ 17 im Herbst aus dem Konzerterlös mitfinanziert werden.

Was sich aus der Session des internationalen Jazzdays am Sonntagabend ebenfalls zweifelsfrei ableiten lässt: Die Wurzeln des ersten Internationalen Jazzfestivals in der Region, EBE-JAZZ 15, treiben schon kräftige Blüten, lokal wie international. Wer daran gezweifelt hätte, dass Stadt und Landkreis über ausreichend Substanz verfügten, um dem selbstbewusst gesetzten Anspruch gerecht zu werden - der sieht sich spätestens jetzt überzeugt, dass hier Spielraum nicht nur für ein weiteres Festival in diesem Jahr ist, sondern für viel, viel mehr. Einschließlich einer musikalischen Eingemeindung von Ulan-Bator und darüber hinaus.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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