Ebersberg:Die Tücken einer technisierten Welt

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Eine 19-Jährige verbreitet ohne Einwilligung der Abgebildeten ein intimes Foto. Es landet schließlich bei Facebook

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Die Handy-App für Nachrichten, Foto- und Videobotschaften WhatsApp hat in Deutschland schätzungsweise über 35 Millionen Nutzer. Die Online-Plattform Instagram, auf der man Fotos und Videos mit seinen Abonnenten teilen kann, zählt immerhin schon neun Millionen. Und auch in dem sozialen Netzwerk Facebook, das in Deutschland etwa 27 Millionen Menschen nutzen, werden täglich Zigtausende von Fotos gepostet. Wie sieht der beste Freund aus Kindergartenzeiten heute aus? Wo war der Kollege aus dem ersten Stock eigentlich im Urlaub? Wie lustig war die Party am vergangenen Samstag, zu der man nicht mitgekommen ist? Und was macht der neue Freund der Exfreundin eigentlich optisch so her? Alles ist nur einen Klick weit entfernt. Fast alles wird ohne große Scheu in Form von Fotos auf der eigenen Profilchronik mit Freunden und Abonnenten geteilt. Mit den Folgen von einem solch oftmals unbedachten Verhalten beschäftigte sich nun das Ebersberger Landgericht in einem Jugendgerichtsprozess.

Die damals beste Freundin der heute 19-jährigen Angeklagten schickte ihr vor knapp einem Jahr ein Foto via WhatsApp. Soweit noch nichts ungewöhnliches - wäre da nicht der brisante Inhalt des Fotos gewesen. Es zeigt die Senderin des Bildes - mit verschränkten Armen, wie sie ihre Brüste notdürftig verdeckt. Neben ihr ist ein Mann zu sehen, die beiden Akteure auf dem Foto küssen sich. Zum Zeitpunkt der Bildaufnahme war der Mann noch der Freund einer weiteren Freundin. Bis hierher brisant, aber immer noch nicht strafrechtlich relevant für die Angeklagte.

Erst, als sich die 19-Jährige dazu entschloss, das Foto an die offenbar betrogene Freundin des Mannes auf dem Bild zu senden, kam ein juristischer Belang hinzu. "Verletzung höchstpersönlicher Lebensbereiche durch Bildaufnahmen" sowie die Verletzung des Kunsturhebergesetzes nennt man das dann. So lauteten auch die Tatbestände der verlesenen Anklageschrift. Ersterer bezieht sich auf das Unbekleidetsein und die intime Situation, die das Foto zeigt. Das Kunsturhebergesetz ist relevant, weil es verbietet, dass ein Bild ohne die Einwilligung der Abgebildeten weiterverbreitet oder gar veröffentlicht wird.

Als wäre das nicht schon genug, schlug das Weitersenden des Fotos aber noch viel größere Wellen. Wahrscheinlich aus Vergeltungsgründen landete das Bild schon bald auf Facebook und wurde dort vielfach öffentlich geteilt. Zu guter Letzt führte diese Veröffentlichung dazu, dass sich zwei Gruppen junger Frauen an einem Bahnhof verabredeten: Anhängerinnen der wohl betrogenen Frau gegen jene, die auf dem Foto abgebildet war. Das Ergebnis dieses Aufeinandertreffens waren laut dem Jugendrichter Dieter Kaltbeitzer diverse Körperverletzungen. "Was die Weitergabe des Fotos für Ausmaße annehmen kann, war Ihnen nicht bewusst?", fragte der Richter an die Angeklagte gerichtet. Sie verneinte. Die Folgen der weiteren Verbreitung des Fotos waren jedoch nicht Tatbestand im Verfahren gegen die junge Frau.

Dafür wurde sie zudem beschuldigt, innerhalb eines knappen halben Jahres gleich sieben Mal ohne gültigen Fahrschein mit der S-Bahn gefahren zu sein. Ohne Umschweife gestand die 19-Jährige alle Anklagepunkte ein. Der finanziellen Forderungen der Deutschen Bahn kam sie bereits nach.

Für die Angeklagte war es das dritte Mal, dass sie strafrechtlich auffällig wurde: einmal wegen Missbrauchs von Ausweispapieren und ein andermal wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsschutzmittelgesetz. Beide Verfahren wurden jedoch eingestellt oder befinden sich derzeit im Einstellungsprozess.

"Ich sehe hier eine Reifeverzögerung", teilte die Staatsanwältin mit und forderte eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht. Richter Kaltbeitzer bestätigte diese Forderung und sprach ein Urteil von insgesamt sechs Tagen aus, an denen die 19-Jährige soziale Dienste ableisten muss.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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