Ebersberg:Die Hüter der Grenzen

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Das Vermessungsamt sucht neue Feldgeschworene. Wer sich bewirbt, muss ordentlich anpacken können

Sie müssen anpacken können, gern bei Wind und Wetter draußen sein, tagsüber Zeit haben - und auch Verschwiegenheit bewahren können. "Schließlich geht es um Privatangelegenheiten, die nicht jeden etwas angehen", sagt Anton Groß, stellvertretender Leiter des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Ebersberg. Die Rede ist von den Feldgeschworenen, den traditionellen Hütern der Grenzen: Sie unterstützen ehrenamtlich das Vermessungsamt, wenn es darum geht, Grundstücksgrenzen zu markieren oder ihren Verlauf zu überprüfen. 141 Feldgeschworene gibt es momentan im Landkreis, darunter nur eine Frau. Im Vermessungsamt und in den Gemeinden hofft man aber, dass sich weitere Freiwillige finden - denn mehr als 50 Prozent der jetzigen Feldgeschworenen sind älter als 65. Zwar schätze man diejenigen, die bisher im Einsatz seien, sehr und wolle keinesfalls auf ihr Wissen verzichten, betont Groß. Um in Zukunft gut aufgestellt zu sein, brauche man aber auch Nachwuchs.

Ein kleiner Anreiz könnte sein, dass der Kreistag nun die Entschädigung für Feldgeschworene leicht angehoben hat. 15 Euro pro Stunde können die Feldgeschworenen künftig für ihre Einsätze abrechnen, bisher waren es 13 Euro. Seit 2002 war die Vergütung im Landkreis unverändert geblieben. Gegen die Erhöhung gab es im Kreistag keine Einwände. Wer Feldgeschworener wird, tritt in eine jahrhundertealte Tradition ein: Früher, so erzählt Anton Groß, waren allein die Feldgeschworenen - auch Siebener genannt - für die Markierung der Grenzen und die Schlichtung von Grenzstreitigkeiten verantwortlich. Schlawinern, die versuchten, sich mit Hilfe von verrückten Grenzsteinen mehr Land zuzuschustern, kamen sie durch das sogenannte Siebenergeheimnis auf die Schliche: Unter den Grenzsteinen vergruben sie geheime Zeichen aus Ton, Glas, Porzellan oder Metall. Die Art und Positionierung der Zeichen war nur den Feldgeschworenen bekannt - man konnte also schnell feststellen, ob ein Stein noch dort stand, wo auch tatsächlich die Grenze verlief. Noch heute schwören die Hüter der Grenzen in ihrem Eid, dass sie zeitlebens das Siebenergeheimnis bewahren. "Auch das Vermessungsamt kennt das Geheimnis nicht", sagt der stellvertretende Amtschef. Er weiß auch nicht, ob und welche Feldgeschworene im Landkreis dieses Ritual heute noch praktizieren. Unbedingt nötig ist es eigentlich nicht mehr: Die moderne Technik ermöglicht es heute schließlich wesentlich einfacher als früher festzustellen, ob der Verlauf der Grenze noch stimmt.

Die Feldgeschworenen legen heute auch nicht mehr selbst fest, wo die Grenzsteine gesetzt werden, das machen die Fachleute vom Vermessungsamt. In der Regel seien ein Ingenieur, ein Außendienstmitarbeiter und ein Feldgeschworener zusammen im Einsatz, sagt Anton Groß. Eines hat sich allerdings nicht geändert: Wie seit Jahrhunderten ist das Setzen von Grenzsteinen eine kräftezehrende Angelegenheit, schließlich sind sie aus Granit und werden gut einen halben Meter tief im Boden versenkt. Stehen Großprojekte an, wie etwa der Bau einer Umgehungsstraße, kann es laut Groß schon passieren, dass einmal zehn bis 15 Stück am Tag gesetzt werden müssen. Ein entsprechend tiefes Loch zu graben und den Stein hineinzuwuchten, ist allerdings nur eine der Herausforderungen, die das Amt mit sich bringt. Eine andere ist es, dabei nicht auf Leitungen zu stoßen, die sich knapp unter der Oberfläche befinden. Groß selbst hat bisher nur einmal eine Wasserleitung für eine Viehtränke erwischt; Unfälle mit elektrischen Leitungen habe es in den drei Jahren, seit er in Ebersberg tätig sei, überhaupt nicht bei Einsätzen von Feldgeschworenen gegeben, erzählt er: "Toi, toi, toi!" In Schulungen, die das Vermessungsamt veranstaltet, werden die Feldgeschworenen regelmäßig über Sicherheitsvorkehrungen aufgeklärt. Auch die Handhabung der Vermessungs-Laser und technische Neuerungen sind bei den Treffen Thema.

Großes Vorwissen braucht man für die Aufgabe als Feldgeschworener nicht, allerdings muss man die gleichen Bedingungen erfüllen wie für die Kandidatur zum ehrenamtlichen Bürgermeister. In ländlichen Gemeinden übernähmen vor allem Landwirte die Aufgabe, doch auch Lehrer, Ingenieure und Handwerker sind laut Groß unter den Feldgeschworenen im Landkreis. Die Aufgabe sei durchaus spannend, sagt der stellvertretende Amtsleiter: Man komme schließlich auch an Stellen in der Gemeinde, die man nicht kenne. Bisweilen freilich auch an Stellen mit geringer Anziehungskraft: "Oft fallen Grenzsteine genau da an, wo der Grundstücksbesitzer seinen privaten Komposthaufen angelegt hat", sagt Groß und lacht.

© SZ vom 04.11.2016 / moje, moo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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