Ebersberg:Dicke Luft im Postfach

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Landtagsabgeordnete streiten per Mail über Kita-Ausbau

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Zwischen Ebersberg und Grafing liegen gerade einmal dreieinhalb Kilometer. Und auch altersmäßig sind die dort beheimateten Landtagsabgeordneten Doris Rauscher, 48, und Thomas Huber, 43, nicht so weit auseinander, dass eine Sandkastenfreundschaft ausgeschlossen wäre. So kommen die SPD-Frau und der CSU-Mann bei gemeinsamen offiziellen Auftritten im Landkreis auch scheinbar gut miteinander aus. Parteipolitisch trennen die beiden Abgeordneten allerdings Welten - zumindest wenn es um das Reizwort "Betreuungsgeld" samt Ausstattung von Kitas und Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Dazu zu sagen haben schließlich beide etwas: Rauscher als familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Huber als Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration. Statt sich auf eine Tasse Kaffee zu treffen und das Thema persönlich zu besprechen, legen sie sich aber lieber öffentlichkeitsarbeitswirksam per Mail miteinander an.

Den Reigen eröffnet hat die SPD-Landtagsfraktion, deren familienpolitische Sprecherin Rauscher ist, mit einer Umfrage, die "überwältigende Mehrheiten für mehr Personal und längere Öffnungszeiten in Kitas" ausgemacht haben will. Bevor die Ergebnisse genannt werden, gibt es Schelte für Hubers Partei. So behaupten Rauscher und Fraktionschef Markus Rinderspacher: "Die CSU macht Familienpolitik an den Bedürfnissen vorbei." Begründet wird das damit, wonach eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion ergeben habe, dass die Menschen in Bayern einen erheblichen Verbesserungsbedarf in der Familienpolitik sehen würden. Demnach wünschten sich 9o Prozent der Befragten mehr Personal in den Kitas, für 73 Prozent sei ein zuverlässigeres Angebot in den Ferien sowie am frühen Morgen wichtig. Mit einer Milliarde Euro, die Bayern bis 2021 für das Betreuungsgeld ausgebe, ließen sich längere Öffnungszeiten in Kitas finanzieren, schließlich sind laut Doris Rauscher nur 1,2 Prozent der bayerischen Kitas bis 18 Uhr geöffnet. "Doch dafür - und auch für die Verbesserung der Qualität - ist mehr Personal der entscheidende Faktor. Und es muss auch anständig bezahlt werden."

Aussagen, die Thomas Huber ärgern. "Das von der CSU-Landtagsfraktion und der Bayerischen Staatsregierung durchgesetzte Betreuungsgeld ist ein herausragendes Erfolgsmodell." Dieses stehe nicht im geringsten Widerspruch zum Ausbau von Kitas, schimpft er. Seit Jahren würden in der Regel alle beantragten Einrichtungen vom Freistaat bezuschusst. "Das Betreuungsgeld ist eine zusätzliche Leistung und daher unabhängig von der Kita-Finanzierung. Zwei Drittel der Menschen in Bayern haben sich bisher dafür entschieden, ihr Kind in den ersten Jahren zu Hause zu betreuen", schreibt Huber weiter.

Der Grafinger bezeichnet die Umfrage als unseriöse Effekthascherei: "Wenn irgendwo die Einrichtung einer Kita verzögert wird, dann deshalb, weil momentan das fachlich ausgebildete Personal nicht in ausreichender Zahl zu finden ist." Für die Bezahlung des Personals sei nicht der Freistaat zuständig, sondern die Träger. Die Umfrage führe die Bevölkerung darüber hinaus hinters Licht. "Wer würde denn bei der Frage, ob man 'Zuverlässigere Betreuung auch in den Ferien' für wichtig hält, schon dagegen sein?", so Huber, der zudem kritisiert, weshalb die SPD in der Umfrage nicht nach der Zustimmung der Bevölkerung zum Betreuungsgeld gefragt habe.

Wie das bei solchen Themen meistens ist, liegt die Wahrheit wohl in der Mitte. Vielleicht wäre das Wirtshaus in Gsprait deshalb ein guter Treffpunkt, um das ganze im Sinne aller Eltern nochmals in Ruhe zu besprechen.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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