Ebersberg:Der Sommer der Motorradunfälle

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"Als Motorradfahrer muss ich für die anderen mitschauen", sagt Alois Rausch, der in Steinhöring Sicherheitstrainings anbietet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die hohe Zahl von Toten und Verletzten gibt es viele Gründe. Das anhaltend gute Wetter erhöht die Gefahr.

Von Christian Endt, Ebersberg

In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Meldungen über Motorradunfälle im Landkreis Ebersberg. Auch schwere Unfälle waren darunter. Zwei Fahrer haben dabei ihr Leben verloren: Am Dienstag vergangener Woche starb ein 16-jähriger Mopedfahrer in der Nähe von Filzen. Vier Tage vorher war ein 32-Jähriger aus dem Landkreis auf der B 304 bei Edling mit seinem Motorrad tödlich verunglückt. Auch Schwerverletzte gab es immer wieder.

Ob es im August insgesamt mehr Unfälle gab als in den Vorjahren, kann die Polizei noch nicht sagen. Die zuständigen Beamten haben zumindest den Eindruck, dass gerade besonders viel passiert. Für Martin Schedo von der Inspektion Ebersberg ist der Hauptgrund ganz einfach: "Durch die gute Witterung sind unheimlich viele Motorräder unterwegs." Wer Schuld an den Unfällen hat, muss teilweise noch durch Gutachten geklärt werden. In einigen Fällen sind die Krafträder wohl ohne Beteiligung Dritter von der Fahrbahn abgekommen, in anderen wurden sie von einem ein- oder abbiegenden Fahrzeug übersehen. Häufig spiele zu schnelles Fahren eine Rolle, sagt Schedo: "Mit manchen sportlichen Maschinen ist es schwierig, die Geschwindigkeitsbegrenzung immer einzuhalten." Nicht nur das gute, zu Zweirad-Ausfahrten einladende Wetter erhöht in dieser Jahreszeit die Unfallgefahr. Michael Kossbiel, Vorsitzender der Motorradfreunde Grafing, sieht ein weiteres Problem: "Bei der Hitze fährt man unkonzentriert." Wegen der warmen Schutzkleidung gelte das für Motorradfahrer zwar besonders, betreffe aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmer. Kossbiels Rat zur Unfallvermeidung ist daher: "Viel Wasser trinken."

In der Erntesaison komme es auch immer wieder zu Zusammenstößen mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Der hoch stehende Mais mache überdies an vielen Stellen Nebenstraßen und Feldwege uneinsehbar.

Häufig steht im Polizeibericht als Unfallursache einfach nur: ". . . von der Straße abgekommen". Ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer hat der Fahrer dabei die Kontrolle über sein Motorrad verloren. "Da reicht schon eine Kleinigkeit", sagt Kossbiel. Er nennt ein aktuelles Beispiel: Wenn es lange nicht geregnet habe, sammle sich viel Dreck auf der Straße, den etwa Traktoren von den Feldern mitbringen würden. Darauf könne ein Motorrad schnell ins Rutschen kommen. Auch der Straßenbelag selbst kann zum Problem werden: Ab Temperaturen von 30 Grad werde das im Asphalt enthaltene Bitumen "schmierig wie Butter".

Alois Rausch sieht ein grundsätzliches Problem: Im Führerscheinlehrgang würden die Fahranfänger nicht auf unerwartete Situationen vorbereitet. Der ehemalige Motorsportler hat sich daher seit 25 Jahren auf Sicherheitstrainings für Motorradfahrer spezialisiert. "Viele Fahrer verkrampfen, wenn es stressig wird, sie sind dann handlungsunfähig und das Motorrad führerlos." Der 53-Jährige hat sich seine Methoden bei der Pilotenausbildung abgeguckt. "Da wird das Flugzeug voll an die Grenzen geflogen. Damit man weiß, wie es reagiert und im Ernstfall nicht zum ersten Mal mit der Situation konfrontiert ist."

Ob mit oder ohne Training - Rausch ist überzeugt, dass jedem Motorradfahrer ein Unfall passieren kann. "Es ist verkehrt zu glauben, das trifft nur die anderen, die Raser oder welche, die es halt nicht können." Gerade mit viel Erfahrung, auch das würden Daten aus der Fliegerei zeigen, gebe es häufig Unfälle: "Weil man sich dann sicher fühlt." So erklärt Rausch auch die vielen Unfälle im Spätsommer: Die Fahrer seien seit dem Frühjahr unterwegs, irgendwann lasse die Vorsicht nach.

Im Einzelnen freilich müsse man jeden Unfall differenziert betrachten: "Da muss man tief in Fahrphysik und Psychologie einsteigen, das lässt sich nicht in drei Sätzen klären." Eines gelte im Straßenverkehr aber immer: "Als Motorradfahrer muss ich für die anderen mitschauen. Wir können uns nicht darauf verlassen, gesehen zu werden."

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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